Ein Hauch von Karibik: Venezolanische Migranten in Peru

Mehr als sechs Millionen Venezolanerïnnen sind aus ihrer Heimat geflohen – auch nach Peru. Wir haben drei von ihnen in Lima getroffen.

10 Minuten
Im Hintergrund ein Schaufenster. Davor aufgereiht spielen vier junge Männer verschiedene Instrumente: Gitarre, Klarinette, Saxofon, Fagott.

Es war Oktober 2018, als Virginia Malavé verzweifelt eine Apotheke nach der anderen in ihrer Heimatstadt Maturin in Venezuela abfuhr. Ihr einjähriger Sohn Daniel hatte eine Ohrenentzündung und der Arzt hatte ihm ein handelsübliches Antibiotikum für Kinder verschrieben. Obwohl Virginia dicke Bündel von Bolívares-Scheinen zückte, erntete sie immer nur ein bedauerndes Achselzucken der Apotheker und den Verweis auf die gähnend leeren Regale: „Wir haben das Medikament leider nicht.“ In diesem Moment fassten sie und ihre Familie einen Entschluss: Es war Zeit, ihre Heimat zu verlassen.

Zustände wie im Krieg, obwohl nie eine Bombe fiel

Seit 2016 befand sich das einstmals reichste Land Südamerikas in freiem Fall. Das Geld verlor stündlich an Wert, sodass man für einen der beliebten kleinen Espressos schließlich ein fünf Zentimeter dickes Geldbündel hinlegen musste. Die Menschen standen stundenlang Schlange, um einen Liter Milch oder ein Kilo Maismehl zu erstehen. Apotheker füllten ihre Regale mangels Arzneimittel mit Chips und Coca Cola auf. Preis- und Devisenverkehrskontrollen, eine jahrelange Dekapitalisierung der staatlichen Erdölwirtschaft, ein politischer Dauerkonflikt, beispiellose Korruption und letztlich der Fall der Erdölpreise machten aus Venezuela ein Land, in dem ein Krieg gewütet zu haben schien, obwohl nie eine Bombe gefallen war.

Auf einer marmorierten Tischoberfläche liegt ein rund 5 cm hohes Bündel mit venezolanischen Geldscheinen, daneben steht ein kleiner Plastikbecher mit schäumendem Milchkaffee.
Hyperinflation: Dieses Bündel von Bolivares-Scheinen musste man 2017 in Caracas für einen kleinen Becher Kaffee hinlegen.
Im Hintergrund ein Schaufenster. Davor aufgereiht spielen vier junge Männer verschiedene Instrumente: Gitarre, Klarinette, Saxofon, Fagott.
Jeden Tag spielen Diego Tovar (am Saxofon) und seine Musikerkollegen vor einem Einkaufszentrum in Lima.
Zwei junge Männer, rund 30 Jahre alt. Beide schlank, mit Bärtchen, Jeans und Karohemd. Der junge Mann links trägt ein rotes Karohemd und hat eine Instrumententasche über die Schulter geworfen. Der junge Mann rechts im blauen Karohemd trägt eine Gitarre über der Schulter.
Die venezolanischen Musiker Diego Tovar (links) und Efrain Escalona sind nach Peru emigriert. Diego spielt Klarinette und Saxofon, Efrain Gitarre, Cuatro und Bass.
Zwei Reihen von Männern in gelb-weißer Sportkleidung. Mit Baseball-Caps und weißen Knickerbockerhosen. In der ersten Reihe knien die Baseball-Spieler, einige haben einen Baseball-Schläger in der Hand. Auf den gelben Trikots steht der Name der Mannschaft: Pirates.
Jeden Sonntag spielen die „Piraten“ am Strand von Lima Baseball.
Sporttasche auf sandigem Boden, mit offenem Reissverschluss. Darin ein Baseball-Cap, zwei grüne Bälle, daneben eine leere Wasserflasche.
Diese Sporttasche mit Baseball-Utensilien bedeutet für viele Venezolaner in Peru ein Stück Heimat.
Links kniet ein junger Mann, braune Haut und Bart, mit Baseball-Mütze, vor ihm ein zweijähriges Mädchen, das in die Kamera lacht. Das Mädchen hält einen Mini-Plastik-Baseballschläger in der Hand. Der Mann zeigt ihr den gelben Ball.
Christian Castellanos bringt seiner zweijährigen Tochter Camila in einer Spielpause die Grundzüge des Baseball bei. Mitspielen dürfen Frauen in seiner Mannschaft allerdings nicht.
Ein helles Schneidebrett, darauf liegen sechs gebackene Küchlein, in der Größe eines dicken Fingers. Daneben eine kleine Schale mit weißer Soße.
Die venezolanischen Tequeños sind mit Käse gefüllt. Ihren Namen haben sie von der Stadt Los Teques, einer Kleinstadt in der Nähe von Caracas.
Eine Restaurantterrasse. Auf dem Tisch ein Teller mit fingergroßem Schmalzgebäck. Davon isst ein Paar, das am Tisch sitzt, beide Anfang 30. Er trägt eine Baseball-Mütze, sie eine geblümte Bluse, die dunklen Haare im Pferdeschwanz nach hinten gekämmt.
Virginia Malave und ihr Mann Daniel in ihrem neu eröffneten Restaurant in Lima, mit einem Teller frisch gebackener Tequeños, der Spezialität des Hauses.