Corona-Pandemie und (k)ein Ende?

Trotz der globalen Spaltung durch Corona teilen alle Menschen auf der Welt einen Wunsch: Sie hoffen auf ein Ende der Pandemie. In einigen Ländern fallen nun die Masken, andere setzen weiter auf Lockdowns. Das hat auch politische Gründe. Ein Überblick der Weltreporter.

vom Recherche-Kollektiv Weltreporter:
7 Minuten
Eine Straße in Manhattan, New York, maskierte Fussgänger sind iunterwegs

Weltweit ist die Zahl der Neuinfektionen mit Covid-19 rückläufig und auch die Zahl der Todesfälle hat in der letzten Woche abgenommen. Angesichts dieses Trends, aber auch der Pandemie-müden Stimmung in der Bevölkerung und aus politischen Motiven setzen viele Länder nun auf Lockerungen.

Neuseeland sperrt seine Bürger*innen nicht mehr länger aus

Selbst Neuseeland, das seit Beginn der Pandemie auf eine Abschottungs- und zeitweise auch eine Null-Covid-Strategie gesetzt hatte, öffnet sich nun schrittweise wieder. Diese Entscheidung kam für Weltreporterin Anke Richter überraschend, die am Tag der Ankündigung in der taz noch eine Kolumne zu den strengen Einreise-Vorschriften veröffentlicht hatte. Im Zentrum der Kritik stand der begrenzte Platz in der obligatorischen, staatlichen Hotel-Quarantäne namens MIQ. „Das MIQ-System hat uns zwei Covid-freie Jahre beschert“, kommentiert Richter. „Aber es hat auch zu Bürgern zweiter Klasse geführt – den Ausgesperrten.“ Denn sogar für Schwangere und Angehörige Sterbenskranker gab es dort im Zweifelsfall kein Zimmer.

Doch mit dem Aussperren ist es jetzt vorbei. Ab Ende des Monats werden die Grenzen schrittweise geöffnet: zuerst für Neuseeländer*innen, dann für Fachkräfte und Studierende, ab Oktober auch für Tourist*innen. Eine Isolationszeit nach der Einreise bleibt weiterhin Pflicht, kann jedoch auch privat verbracht werden. Nur Ungeimpfte werden weiterhin in Quarantänehotels untergebracht.

Neuseeland-Korrespondentin schaut mit ihrer Gesichtsmaske durch den Zaun des Quarantänehotels
Weltreporterin Anke Richter in MIQ-Quarantäne

Südafrika reagiert mit eigenen Vakzinen auf die „Impf-Apartheid“

Geschlossene Grenzen waren auch in Südafrika ein Politikum: Zu Beginn der Pandemie hatte sich das Land selbst für sechs Monate abgeschottet, Ende letzten Jahres wurde es selbst ausgesperrt. Nach Bekanntwerden der Omikron-Variante verhängten unter anderem die USA und europäische Länder Einreiseverbote. Südafrikanische Forscher*innen stiegen auf die Barrikaden: Das sei der Dank dafür, dass man die Welt über die neue Variante informiert habe, hieß es. Wieder einmal werde Afrika abgestraft.

Das ist nicht vergessen, obwohl die Omikron-Welle in Südafrika offiziell für beendet erklärt wurde und wieder so etwas wie Alltag einkehrt. Nach den meisten Maßnahmen ist nun auch eine Aufhebung des Katastrophenfalls im Gespräch. Masken bleiben jedoch angesichts einer vergleichsweise geringen Impfquote Pflicht.

Nicht nur Südafrika, der ganze Kontinent hat auf die global ungleiche Verteilung von Impfstoffen reagiert, die auch als „Impf-Apartheid“ bezeichnet wird. Während Aktivist*innen weiterhin eine Aufhebung des Patentschutzes für Impfstoffe während der Pandemie fordern, entwickeln Unternehmen eigene, darunter auch mRNA-Vakzine. Und das auch mit Blick auf andere Infektionskrankheiten und Länder des globalen Südens, mit denen die Technologie geteilt werden soll.

Zwei Forschende mit Masken, eine Frau und ein Mann, schauen im Labor auf die Anzeige eines Labor-Geräts
Wissenschaftler*innen im Labor in Kapstadt

Brasilien feiert zwar nicht offiziell Karneval, aber private Partys

Auch mit Brasilien ist eine Kooperation geplant, obwohl das Land zuletzt eine beachtliche Impfrally hingelegt hat. 82 Prozent der Bevölkerung sind zweimal geimpft, auch Impfungen für Kinder ab fünf Jahren und Booster stehen zur Verfügung. „Die Impfkampagne kam spät im größten Land Südamerikas – und wird von Kritikern als reine Politstrategie des Impfgegners und Präsidenten Jair Bolsonaro vor der anstehenden Wahl interpretiert“, sagt Weltreporterin Christine Wollowski in Brasilien.

Zurzeit stehen nur noch 19 Prozent der Bevölkerung zu seiner Regierung. Seine Entscheidung, auf Herdenimmunität zu setzen, hat zu mehr als 600.000 Corona-Toten beigetragen. Dennoch hält sich laut Wollowski derzeit kaum jemand an Maskenpflicht und Abstandsregeln. „Der Karneval wurde zwar offiziell abgesagt, doch privat feiert ein Teil der Brasilianer fröhlich Partys. Aktuell sind daher die Zahlen der Corona-Toten so hoch wie zuletzt im August 2021.“

In den USA folgt Inflation auf Infektion

Auch Nordamerika hat viele Tote zu beklagen: Die USA nähern sich der Millionen-Marke. Und auch dort spielt der Wahlkampf eine Rolle, berichtet Bastian Hartig aus New York. Im Herbst stehen die Mid-Term-Wahlen an, bei denen sich entscheidet, ob die Demokraten die Mehrheit im Kongress halten können. Die Umfragewerte von US-Präsident Biden sind jedoch im Keller, auch weil ihm vorgeworfen wird, er sei nicht ausreichend auf Omikron vorbereitet gewesen.

Bisher gebe es wenig, was Biden den Wähler*innen als Erfolg verkaufen könne, so der USA-Korrespondent. Im Gegenteil: „Auch wenn von den Corona-Beschränkungen nicht mehr viel zu spüren ist, liegen den Amerikanern die Nachwirkungen der Pandemie schwer im Magen. Allem voran die rasende Inflation, die in den USA so hoch ist wie seit 40 Jahren nicht mehr."

Am Tisch sitzen Gäste ohne Masken bei einem Drink vor einem grossen Plakat, das für Live-Musik wirbt
Eine Bar in Kopenhagen

In London scheint die Pandemie schon vorbei

Auf der anderen Seite des Atlantiks sieht es in dieser Hinsicht ähnlich aus: Auch dort gibt es Sorgen angesichts der steigenden Inflation und Hoffnung angesichts sinkender Infektionszahlen. Bereits Ende Januar hatte Premierminister Boris Johnson fast alle Corona-Maßnahmen wieder aufgehoben. In London seien die Pubs wieder voll, berichtet unser Korrespondent Peter Stäuber. In Cafés sitzen Kaffeetrinker*innen mit ihren Laptops dicht an dicht neben frühstückenden Familien und auch in der U-Bahn geht es wieder hektischer zu.

„Wenn man in der Stadt unterwegs ist, hat man zuweilen das Gefühl, die Pandemie sei vorbei“, schreibt Stäuber im Editorial des aktuellen Weltreporter-Newsletters. Nachdem die Omikron-Welle auf der britischen Insel vor den meisten Ländern des europäischen Festlands angeschwollen war, sinkt die Zahl der Neuinfektionen nun schon seit Wochen.

Dänemark feiert schon zum zweiten Mal das Ende der Pandemie

Anders als in Dänemark: Dort werden momentan wieder mehr Bürger*innen positiv auf Corona getestet und auch die Zahl der Todesfälle hat wieder zugenommen. Trotzdem setzt das Land auf Lockerungen und lässt sogar die Masken fallen. Als die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen das Ende aller Einschränkungen ankündigte, sprach sie geradezu euphorisch von einem „Übergang in eine neue Zeit“. Die Bürger*innen feiern das mit einem sogenannten Freedom Day und hoffen, dass es nicht erneut zu einer Wiederholung kommt. Den ersten Freedom Day hatten sie bereits im September 2021 gefeiert – verfrüht, wie sich herausstellte.

Nun weckt die derzeitige Infektionslage erneut Zweifel: Dänemark-Korrespondentin Julia Wäschenbach erzählt, dass sie momentan von Bekannten aus Deutschland „häufig dafür bemitleidet“ wird, dass sie in einem Land mit einer so hohen Corona-Inzidenz lebt – und das ohne Maske! Über die Gründe für diesen Umgang mit der anhaltenden Omikron-Welle hat sie unter anderem für die Welt berichtet. Ein Teil der dänischen Strategie sind neben einer hohen Impfquote auch massenweise Tests.

„Alles gurgelt“ in Österreich

Dänemark ist weltweit der Spitzenreiter der Tests pro Einwohner*in. Auch England, Frankreich und Österreich haben seit Beginn der Pandemie wesentlich mehr getestet als Deutschland. „In Wien werden 800.000 Tests pro Tag ausgewertet“, sagt Weltreporter Alexander Musik. „Salzlösung und ein Smartphone – mehr braucht es dazu nicht.“ Denn Österreich wirbt mit seiner Kampagne „Alles gurgelt!“ für gleichnamige Gurgeltests, die ein Wiener Unternehmen entwickelt hat.

In einem Karton liegt eine Anleitung zum Selbsttest neben Labor-Röhrchen und Salzlösung
Ein Testkit für den Gurgeltest

China macht den pandemischen Öffnungstrend nicht mit

Während die Österreicher*innen also gurgeln, müssen die Sportler*innen bei den Olympischen Winterspielen in Peking täglich einen PCR-Test machen, so wie alle innerhalb der abgeschotteten „olympischen Blase“. „Die täglichen Infektionszahlen unter den internationalen Athleten, Trainern und Journalisten waren ähnlich niedrig wie unter den insgesamt 1,4 Milliarden Chinesen“, berichtet Fabian Kretschmer aus Peking. Das belege, dass China weiterhin eine „Null-Covid-Bastion“ sei.

Während die Omikron-Welle in Europa langsam abflaut, ist sie in China noch nicht einmal richtig angekommen. Vereinzelte Fälle wurden mit blitzschnellen Lockdowns lokal eingedämmt. Und doch bedeutet der epidemiologische Erfolg auch ein extrem niedriges Niveau an Herdenimmunität. Zudem seien die in China zugelassenen heimischen Vakzine gegen Omikron offenbar nicht wirksam genug, so Kretschmer. „Von daher bleibt der Status Quo im bevölkerungsreichsten Land der Welt wohl noch eine Weile erhalten: Quarantäne, geschlossene Grenzen und internationale Isolation.“

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