Richtungswechsel in Rotterdam: von der Autostadt zur City-Lounge

Die niederländische Hafenstadt Rotterdam erfindet sich gerade neu. Bald soll zu Fuß gehen und Radfahren in der Innenstadt oberste Priorität haben. Außerdem sollen im Zentrum sieben grüne Oasen entstehen. Der notwendige Platz soll dem Autoverkehr abgezweigt werden.

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
15 Minuten
Auf einem breiten hellen Radweg in Kfz-Spurbreite fährt ein Radfahrer

Von Rotterdams Innenstadt war nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr viel übrig. Alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen der Stadt zeigen riesige Brachflächen rund um die Kirche Laurenskerk. Beim Wiederaufbau wurden dort, wo einst die Altstadt war, breite mehrspurigen Straßen gebaut und riesige Kreisverkehre für Autos und Straßenbahnen. Bis zum Jahr 2000 hatte die europäische Hafenstadt das amerikanischste Straßennetz der Niederlande. Dann fand ein Kurswechsel statt.

Seitdem ist das neue politische Ziel, das Zentrum in eine moderne City Lounge zu verwandeln. Wo heute noch Autos fahren und parken, sollen Wiesen und Parks entstehen, um der stetig wachsenden Bevölkerung Platz zum Toben und Pausieren zu bieten. Dafür muss der Autoverkehr massiv zurückgedrängt und durch mehr Rad- und Fußverkehr ersetzt werden. Das Tempo, mit der Politik und Planer den Wandel vorantreiben, ist rasant.

Außenstehenden erscheint die Stadt mit dem größten Seehafen Europas längst wie ein riesiges Pilotprojekt. Seit 15 Jahren wird das Zentrum umgebaut, um die aktive Mobilität zu stärken. 2020 hat die Politik zudem beschlossen, dass die Stadt klimaresilient werden soll. Dazu sollen in den kommenden zehn Jahren sieben Stadtprojekte umgesetzt werden. Die Idee ist, sieben „grüne Lungen“ im Zentrum zu schaffen, die bei Starkregen das Wasser aufnehmen können und bei extremer Hitze die Umgebung kühlen.

Konkret soll ein großer Parkplatz begrünt werden, am Hafen soll ein Park in Größe von elf Fußballfeldern entstehen und ein Eisenbahnviadukt soll in einen Park verwandelt werden, das sich durch mehrere dicht besiedelte Stadtteile zieht. Mit 230 Millionen Euro sollen die Projekte umgesetzt werden.

Rund um den Coolsingel wird diese Phase wohl noch eine Weile andauern. Schließlich sind die nächsten Großprojekte dort bereits in Planung. In ein paar Jahren soll der angrenzende Hofplein-Platz mit seinem 20 Meter breiten Springbrunnen umgebaut werden. Seine Neugestaltung ist eines der sieben Stadtprojekte und soll Radfahrerïnnen, Fußgängerïnnen und Anwohnerïnnen den Zugang zu der Fontäne überhaupt erst ermöglichen. Bislang umrunden Autos und Busse auf drei Fahrspuren den Brunnen, dazwischen kreuzen die Straßenbahnen.

Zufußgehen oder Radfahren ist hier nicht vorgesehen. Nach dem Umbau soll der Brunnen zum Herzstück des neuen Parks werden mit vielen Fußwegen und Sitzgelegenheiten für die direkten Anwohnerïnnen. Die Straßenbahn darf weiterhin passieren, der Autoverkehr wird jedoch in einem großen Bogen außen um den Park herumgeführt.

Zwei Radfahrerïnnen fahren aneinander vorbei. Der Rotterdamer Hauptbahnhof liegt im Hintergrund
Nach dem Umbau haben Radfahrerïnnen und Fußgängerïnnen viel Platz und um den Bahnhof
In Doppelstockgaragen sind die Fahrradräder in dem Parkhaus abgestellt. Ein Radfahrer fährt Richtung Ausgang
Das Fahrradparkhaus und 1.000 zusätzliche Stellplätze rund um den Bahnhof reichen nicht mehr aus, um den Bedarf zu decken
Am Gehwegrand parken Fahrräder in einer langen Reihe
Im Umfeld des Bahnhofs wird der Gehweg als Fahrradstellplatz genutzt