Bürgerentscheid in Waghäusel gegen Geothermie erfolgreich – Betreiber darf Grundstück nicht kaufen.

Bei der Energiewende setzen viele Fachleute auf Geothermie als natürliche Quelle für Wärme. Doch am Oberrhein konnte die Deutsche Erdwärme die Sorgen der BürgerInnen nicht ausräumen. Die Angst vor Erdbeben ist größer als das Vertrauen in Technik.

vom Recherche-Kollektiv die ZukunftsReporter:
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Die Geothermie-Bohrung verwendet ein hohes Metallgerüst, in dem der Bohrkopf und die Rohre zur Auskleidung des runden Bohrschachtes in mehr als 3500 Meter Tiefe geführt wird.

Die deutsche Energiewende muss einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Bei einem Bürgerentscheid in Waghäusel im Oberrheingraben haben sich die BürgerInnen der Stadt gegen ein Geothermiekraftwerk ausgesprochen. Etwa 17.000 Menschen waren wahlberechtigt. Eine klare Mehrheit von 72,9 Prozent möchte nicht, dass ihre Stadt ein Grundstück an das Unternehmen „Deutsche Erdwärme“ verkauft. Die Firma will dort etwa 4000 Meter tief in das Gestein bohren.

In dieser Tiefe gibt es im Oberrheingraben mehr als 130 Grad heiße Wasserschichten, die als erneuerbare und CO₂-arme Energiequelle für die Fernwärmeversorgung der umliegenden Gemeinden und der Industrie dienen sollen. Dem Tiefenwasser wird dabei Energie mit einem Wärmetauscher entzogen, bevor es mit etwa 70 Grad zurück zum Ursprungsort geführt wird. Zudem kann das Kraftwerk auch Strom produzieren.

Waghäusel macht Verkauf vom Bürgerentscheid abhängig

Der Stadtrat hatte vor der Wahl erklärt, dass er sich dem Votum der BürgerInnen anschließen werde, wenn das nötige Quorum erreicht wird. Die Mindestwahlbeteiligung von 20 Prozent hatten die Antragsteller mit mehr als 4000 Briefwahlstimmen schon eine Woche vor dem Wahltermin erreicht. Das Vorhaben der Deutschen Erdwärme wird durch die Entscheidung nicht unbedingt gestoppt. Die Abstimmung befasste sich nur mit dem Verkauf eines stadteigenen Grundstücks. Das Unternehmen könnte die nötigen Flächen in der Größe von zwei Fußballplätzen auch von Privateigentümern oder vom Land Baden-Württemberg erwerben. Das Grundstück im nicht weit entfernten Graben-Neudorf, wo vermutlich im Sommer 2023 eine Bohrung fertig gestellt wird, hat die Deutsche Erdwärme auch vom Land gekauft. Allerdings ist fraglich, ob das Unternehmen den umfangreichen Genehmigungsprozess in Waghäusel gegen den Willen der Bevölkerung weiter vorantreiben wird.

„Zustimmung bröckelt, wenn es um Umsetzung geht“

Das Ergebnis spiegele ein zentrales Problem vieler Erneuerbarer-Energien-Projekte wider, sagt Ron Zippelius, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Erdwärme. „Die breite öffentliche Zustimmung zum Ausbau erneuerbarer Energien bröckelt, wenn es um deren konkrete Umsetzung vor Ort geht“, sagt er. „Die Signale, die von einer solchen Entscheidung ausgehen, sind extrem bedauerlich“, so Zippelius. Es sei zu befürchten, dass die Wärmewende in der Region deutlich mehr Zeit brauche. Zeit, die man angesichts der fortschreitenden Klimakrise nicht habe, so der Unternehmenssprecher.. Man werde das Ergebnis in Ruhe bewerten.

Das Bohrgelände ist etwa zwei Fußballfelder groß. Der Bohrturm für die Geothermie wird später verschwinden, ebenso wie die großen Wasserbecken, mit denen die Bohrung gekühlt wird.
Der Bohrplatz in Graben-Neudorf am 22. März: Vorn Info-Container und Bürocontainer der Ingenieure und Arbeiter, links Testwasserbecken zur Kühlung der Bohrung, rechts der eigentliche Bohrturm. Später wird nur noch das Rohr zu sehen sein, aus dem das heiße Wasser für das Geothermie-Kraftwerk emporströmt.