Mütter in der Familienfalle: Führt das Elterngeld zu mehr Gleichberechtigung?

Für Kinder und Haushalt sind immer noch Frauen zuständig. Das hat für sie dramatische finanzielle Folgen. Über das Elterngeld könnte der Staat Väter stärker in die Pflicht nehmen. Sollte er?

vom Recherche-Kollektiv die ZukunftsReporter:
9 Minuten
Die Zeichnung zeigt eine Frau, die ihre Wohnung verlässt. Ihr Mann versucht, das weinende Baby auf seinem Arm mit einem Schnuller zu beruhigen. Für die Gleichberechtigung ist es wichtig, dass mehr Väter Elternzeit nehmen.

Stellen wir uns einmal vor, das Elterngeld würde nur noch gezahlt, wenn sich Vater und Mutter die Elternzeit teilen. Männer wären selbstverständlich sieben Monate mit ihrem Baby zu Hause. Würde das zu mehr Gleichberechtigung in Familien führen? Ein Zukunftsszenario der ZukunftsReporter.

Sarah öffnet die Tür zur Bar. Sie taucht ein in eine andere Welt. Stimmengewirr und Musik – das kennt sie nicht mehr. Sie blickt sich um und entdeckt nahe der Bar die Mädels. Sie haben schon Cocktails vor sich stehen und albern herum. Lucia sieht sie als Erste und winkt. Ein lautes Hallo ertönt. „Na, wie war der Abschied?“, fragt Lynn als sich Sarah setzt. Sie verzieht das Gesicht: „Geht so!“.

Die neue Rolle

Martin hatte sich alle Mühe gegeben, sie mit gutem Gefühl ziehen zu lassen. Kein dummer Spruch, keine vorwurfsvollen Blicke wie bei anderen Männern. Aber Nora schrie und schrie, als wüsste sie, dass ihre Mutter diesen Abend nicht greifbar ist. Martin trug sie tapfer durchs Wohnzimmer, summte „Sweet Baby“ und sagte „Geh!“. Aber Sarah konnte nicht. Sie hatte diesen dicken Kloß im Hals, „Ein-Kind-braucht-seine-Mutter“-Sprüche schossen ihr plötzlich durch den Kopf. Warum nicht einfach absagen? „Geh endlich!“ rief Martin entnervt – und sie ging. Mit furchtbar schlechtem Gewissen, obwohl sie es richtig findet, dass Väter die halbe Elternzeit nehmen. Obwohl sie sich schon seit Wochen auf den BTW-Abend mit den Mädels freut.

Es ist eine neue Tradition geworden, den Back-To-Work-Tag mit den Kolleginnen zu feiern. Am Abend vorher treffen sich alle in einer Bar. Manchmal geht es lang, und der erste Arbeitstag wird nicht besonders produktiv. Aber egal. Diese Abende sind wichtig für die Mütter, die ab sofort eine neue Rolle innehaben, loslassen müssen. Sie gehen arbeiten, ihr Partner bleibt beim Kind zu Hause, füttert, wickelt, kocht, putzt und kuschelt. Das ist immer noch ungewohnt, es fehlen die Vorbilder.

Halbe-halbe ist Pflicht

Frauenverbände hatten lange dafür gekämpft, dass sich Väter stärker in der Familienarbeit engagieren, damit Mütter Freiräume für ihre eigene Karriere bekommen. Vor zwei Jahren beschloss die Regierung, Elterngeld nur noch zu zahlen, wenn sich Paare die Elternzeit halbe-halbe aufteilen. Natürlich gab es erstmal einen Aufschrei. Der Staat regiere jetzt auch noch ins Kinderzimmer hinein, schimpften die Kritiker. Er nehme den Kindern die Mutter und zwänge Familien ein Lebensmodell auf.

Auch viele Mütter empörten sich und erzählten in den verschiedensten Talkshow-Formaten, wie wichtig und erfüllend das erste Jahr mit Baby gewesen sei. Manche Frauen kochten zu Hause für Wochen vor, damit ihr Mann und das Kind während ihrer Abwesenheit nicht verhungerten. Die Wirtschaft jammerte über fehlende Planungssicherheit.

Mittlerweile ist es ruhiger geworden. Die Firmen haben gute Vertretungsmodelle gefunden. Väter mit Babys gehören jetzt auch wochentags zum Straßenbild. Es haben sich neue Kindergruppen gebildet: Nicht mehr „Baby-Singen“, sondern „Rock your Baby“.

Die Väter müssen improvisieren

Daneben ist aber noch etwas viel Entscheidenderes passiert.

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