Wie sehr bestimmt die Rasse das Wesen eines Hundes? Spielt Prägung eine größere Rolle als Genetik?

Forschende messen erstmals epigenetische Veränderungen bei Hunden, die typisch für deren Persönlichkeit sind. Epigenetik-Tests könnten zukünftig schon bei Welpen klären, ob sie sich später eher für die Jagd oder als Familienhund eignen – unabhängig von der Rasse.

8 Minuten
Eine schwarz-weiß gefleckte große deutsche Dogge liegt auf einer Wiese. Vor ihr steht ein brauner Doggen-Welpe. Beide schauen sich in die Augen.

Wer Hunde züchtet, kennt das Dilemma: Da hat man das perfekte Muttertier und bringt es mit einem Zuchtrüden zusammen, dessen Stammbaum makellos ist. Rein genetisch kann also kaum etwas schiefgehen mit dem resultierenden Wurf. Doch dann kommen Welpen heraus, die sich später schlecht erziehen lassen, ungewohnt ängstlich und aggressiv sind oder ein bestimmtes Verhalten partout nicht entwickeln wollen, das für ihre Rasse typisch ist. Neue Studien bestätigen nun, dass die Umwelt einen stärkeren Einfluss auf das Verhalten von Hunden hat als deren Rasse.

„Man geht zweieinhalb Mal um die Welt, um den perfekten Zuchtrüden zu finden. Und dann verhaut man’s“, sagt die Tierärztin und Dozentin für Hunde- und Katzen-Rassenkunde Christina Sigrist aus der Schweiz. Sie spielt darauf an, dass neben den Genen auch die Umwelt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Hunde-Persönlichkeit spielt. Hunde – womöglich solche mit Flugangst – zum Zuchtrüden zu fliegen, findet sie absurd. Das sei viel zu viel Stress für die zukünftige Mutter. Und der wirke sich oft negativ auf den Nachwuchs aus.

Hunde haben rassetypische Umwelten. Daraus resultieren rassetypische epigenetische Muster. Und diese prägen die Persönlichkeit des Hundes.

Jetzt häufen sich Hinweise, dass das Wesen eines Hundes tatsächlich weniger stark von seiner Rasse und den Genen abhängt als gedacht. Frühkindliche Erfahrungen, die Bindung zum Muttertier und das Verhalten der Züchtenden, Halter*- und Trainer*innen scheinen die Tiere oft viel tiefer zu prägen als deren geerbte Genvarianten.

Ein Junge umarmt einen Hund und küsst ihn auf die Wange. Der Hund ist ein Hovawart oder ein Golden Retriever.
Manche Hunde gelten als besonders familienfreundlich. Das hat aber vermutlich kaum etwas mit rassetypischen Genvarianten zu tun.