Ein Pilz, der mich gefunden hat

Fieldwriter Gerhard Richter und ein schlauer Pilz reden in einer müden Landschaft aneinander vorbei.

von Gerhard Richter
7 Minuten
ein Mann mit einem Schnurrbart und einem Hut [AI]

Nach nur zehn Schritten in dieser Wiese sind meine Schuhe so staubig, als wäre ich durch eine Wüste gewandert. Ein Pilz ist mein Zeuge. Dieser Pilz ist tatsächlich das einzige wirklich lebendig wirkende Lebewesen auf dieser Wiese, die irgendwie öde und krank aussieht. Der Pilz wundert sich bestimmt auch über diesen staubigen Flecken Erde, aber bestimmt ganz anders als ich.

Die müde Wiese

Direkt vor dem Pilz klappe ich den Schreibtisch auf, spanne ein Blatt Papier in die Hermes Baby Schreibmaschine ein und sehe mich um. Hier treffen unterschiedlichste Landschaftselemente aufeinander. Links von mir fällt die Wiese leicht ab zu einem feuchten Graben, der von einer Reihe Birken gesäumt wird. Dahinter weiden Rinder auf einer saftigen grünen Weide. Die Wiese jedoch, auf der ich sitze, wirkt völlig entkräftet. Woher kommt diese Müdigkeit? Die Wiese ist frisch gemäht. Die langen Halme liegen gelb und trocken, zeigen wie Haarwirbel in alle Himmelsrichtungen. Und überall dieser Staub: feinster Sand hat sich wie eine Decke über jedes Gras gelegt, über jedes Blatt, über jedes Kraut. Auch der Grund der Wiese, auf der ich sitze, ist sehr sandig. Die Gräser und Kräuter wachsen auf einer Bodenkrume, die gerade mal ein paar Finger dick ist. Die ineinander verschlungenen Wurzeln haben Mühe, die wenige fruchtbare Erde festzuhalten.

Woher kommt der Sand?