Corona-Impfung für Kinder: Die Stiko-Empfehlung hat Lücken

Erstmals befürwortet die Ständige Impfkommission bei allen 5– bis 11-Jährigen die Corona-Impfung. Gut so. Aber der Plan zum Schutz aller Kinder offenbart Lücken. Ein Kommentar.

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Ein Junge wird gegen das Coronavirus geimpft.

So lautet die aktuelle Empfehlung für gesunde Kinder

Zunächst orientiert sich die STIKO an den Daten des Robert Koch-Instituts (RKI). Insgesamt hätten demnach fast 50 % aller 5,2 Mio. 5– bis 11-jährigen Kinder in Deutschland bereits mindestens eine Corona-Infektion hinter sich. Und „obwohl keine aktuellen Daten zur Seroprävalenz in dieser Altersgruppe vorliegen, kann man vermuten, dass aufgrund der anzunehmenden hohen Dunkelziffer über 80 % der Kinder in dieser Altersgruppe eine Infektion mit SARS-CoV-2 durchgemacht haben“, so die STIKO.

Deutschlands oberstes Impfgremium geht also davon aus, dass die Mehrzahl der Kinder bereits Kontakt mit dem Virus hatte. Eine einmalige anschließende Impfung würde zur sogenannten „hybriden Immunität“ führen. Der Impfkommission zufolge soll diese Kombination auch Kinder besser schützen als zwei Dosen des Impfstoffs, der gegen den Wildtyp des Virus entwickelt wurde, oder aber eine einmalige Infektion.

Doch was ist eigentlich mit den Kindern, die noch nicht mit dem Virus in Berührung gekommen sind? Das erklärt die STIKO nämlich nicht. Dass es einen umfassenden Immunschutz für alle gesunden Kinder im Sommer gibt, hält sie im Gegensatz zu einigen anderen Ländern offenbar für nicht so wichtig. Denn die bisher bekannten, sehr seltenen schwereren Nebenwirkungen sind nicht der Grund für die Zurückhaltung der Kommission.

Kinderimpfung: Die praktische Umsetzung wurde nicht mitgedacht

Ihr Augenmerk gilt dem Herbst und Winter, der neue Infektionen und Varianten mit sich bringen wird. Die Stiko rechnet damit, dass dann für die 5– bis 11-Jährigen möglicherweise eine zweite Impfstoffdosis sinnvoll sein könnte. Aus ihrer Sicht lohne sich das Abwarten, da ein Impfschutz aus dem Frühsommer bei Omikron vermutlich nicht bis in den Winter hält, bis zum Herbst vermutlich bereits angepasste Impfstoffe bereitstehen und ein längerer Abstand zwischen erster und zweiter Dosis zu einer besseren Immunantwort führe. Möglicherweise werde dann auch ein Booster für Kinder, die bereits zweimal geimpft wurden, sinnvoll sein. Das ist rein wissenschaftlich betrachtet nachvollziehbar.

Doch die Perspektive der Eltern und die praktische Umsetzung wurden – wieder einmal – nicht mitgedacht. Die Fallzahlen gehen aktuell zurück, der Sommer kommt und damit auch die Urlaubszeit. Kinder und Eltern verabschieden sich in die Ferien, Arztpraxen schließen über längere Zeit. Nach dem Schulanfang im September steigt vermutlich nicht nur die Inzidenz, sondern auch die Nachfrage nach Impfungen. Aber sind die Kinderärzt*innen dann darauf vorbereitet? Oder die Impfzentren, die vielerorts bereits geschlossen wurden?

Zögert die STIKO, sind Eltern verunsichert

Im Spätsommer oder aber bei Wiederanstieg der Infektionszahlen will sich die Kommission erneut beraten. Für viele Kinder könnte die Empfehlung dann zu spät kommen, wenn Eltern die zweite Impfung oder den Booster aufgrund der typischen grippalen Infekte im Herbst immer weiter nach hinten verschieben. Oder wenn es einfach schwierig ist, einen Termin für die Impfung zu bekommen. Dann hat vielleicht schon eine neue Covid-19-Variante die Kinder erreicht. Oder Erziehungsberechtigte verstehen das Zögern der Stiko als Ablehnung der Impfung generell – und planen den Immunschutz mit der Spritze im Herbst erst gar nicht ein.

Wer Kinder ernsthaft durch eine Impfung schützen möchte, braucht einen wasserdichten Plan. Das ist die STIKO-Empfehlung für Kinder bisher nicht. Der Herbst kommt schon bald.