Die Galerie unserer Ahnen

Die Sippschaft des Homo sapiens im Überblick: Steckbriefe aller Ur- und Vormenschen

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Das Bild zeigt die Schädel von fünf Mitgliedern der menschlichen Linie, künstlerisch verfremdet und in Bilderrahmen drapiert, vor dem Hintergrund eines abendlichen Himmels kurz nach Sonnenuntergang. Die Zusammenstellung soll die menschliche Ahnengalerie symbolisieren. Nach gegenwärtigem Forschungsstand besteht sie auch 27 Mitgliedern: Ur- und Vormenschen, die zum Teil noch sehr primitiv waren, aber alle auf zwei Beinen laufen konnten.

Die Verwandtschaft der heute lebenden Menschen – also sämtliche inzwischen ausgestorbenen Ur-, Früh- und Vormenschen – ist in den letzten Jahrzehnten dank neuer Funde stetig gewachsen. Dieser Beitrag stellt die bislang bekannten Mitglieder der menschlichen Linie in kurzen Porträts vor: Wann, wo und wie sie lebten, was sie auszeichnet, wie ihre Körper beschaffen waren und wo sie im Stammbaum stehen. Ein Blick auf die Vorgänger und Vettern des Homo sapiens.

Auf dem Foto zu sehen ist der hellbraune, von der Seite aufgenommene Schädel eines Homo sapiens, der sehr gut erhalten ist und noch fast alle Zähne hat. Die Hirnkapsel ist rund, das Kinn ausgeprägt, die Bögen über den Augen sind deutlich weniger stark als etwa beim Neandertaler – kurzum, er ähnelt heutigen Menschen schon weitgehend. Das Fossil wurde bereits vor vielen Jahren in Skhul, einer Höhle im heutigen Israel, entdeckt und wird auf rund 90.000 Jahre datiert. Dieser Mensch und seine Angehörigen waren offenbar bereits aus Afrika ausgewandert. Anatomisch dürften sie jenen Menschen ähneln, die als erste auch den europäischen Kontinent besiedelten. Wie jetzt eine Grabung in Rumänien ergab, erreichte der Homo sapiens Europa bereits vor mindestens 45.000 Jahren – viel früher als bislang gedacht.
Dieser rund 90.000 Jahre alte Schädel aus dem israelischen Skhul zeigt einen frühen Homo sapiens, der den afrikanischen Kontinent bereits verlassen hatte. Er dürfte anatomisch jenen Menschen ähneln, die – wie neue Forschungen ergaben – bereits vor mindestens 45.000 Jahren Europa erreichten
Der Forscher Franz Weidenreich fertigte die filigrane, detailreiche Schwarz-Weiß-Zeichnung dieses vollständigen Schädels eines Pekingmenschen (Homo erectus) an. In den Jahren 1928 bis 1937 gruben Forscher in einer Höhle in der Nähe von Peking zahlreiche Knochenrelikte dieses Urmenschen aus. Doch die meisten dieser Fossilien gingen in den Wirren des 2. Weltkriegs verloren.
In den Jahren 1928 bis 1937 graben Forscher in einer Höhle in der Nähe von Peking zahlreiche Knochenrelikte des Pekingmenschen aus – darunter diesen eindrucksvollen, leider im 2. Weltkrieg verschollenen Schädel
Gezeigt wird die künstlerische Darstellung des Zwergmenschen Homo floresiensis, auch Hobbit genannt. Sein Gesicht wirkt rundlich und sehr urtümlich. Neuen Forschungen von Wissenschaftlern der Australian National University zufolge könnte es sich bei dem Wesen um eine Geschwister-Art des Frühmenschen Homo habilis handeln.
Der 2003 entdeckte Zwergmensch Homo floresiensis – hier eine künstlerische Darstellung – könnte neuen Forschungen an der Australian National University zufolge eine Geschwister-Art des Frühmenschen Homo habilis gewesen sein
Hier ist eine lebensnahe Rekonstruktion des Kopfes von Homo habilis zu sehen, des vermutlich ersten Vertreters der Gattung Mensch. Die Augen blicken menschlich, doch vieles am Gesicht erinnert noch an seine äffischen Vorfahren. Dieser Frühmensch lebte vor rund zwei Millionen Jahren in den Savannen Ostafrikas.
Homo habilis lebte vor rund zwei Millionen Jahren in Ostafrika und galt lange als möglicher Vorfahr des Homo sapiens, doch heute ist das umstritten
Das linke Foto zeigt einen kinnlosen fossilen Unterkiefer. Es ist erste Fund eines Homo heidelbergensis, der 1907 in Mauer bei Heidelberg entdeckt wurde. Auf der rechten Seite ist der Schädel eines Homo heidelbergensis zu sehen, der in Spanien in der „Sima de los Huesos“ gefunden wurde und rund 450.000 Jahre alt ist. Auffällig sind seine mächtigen Überaugenwülste. Homo heidelbergensis gilt als Vorfahr sowohl des Neandertalers als auch des modernen Homo sapiens. Er besaß wohl schon Sprache, die Fähigkeit gemeinsam zu jagen und in die Zukunft zu planen.
Homo heidelbergensis besaß einen kinnlosen Unterkiefer (links der Originalfund von 1907 aus Mauer bei Heidelberg) und kräftige Überaugenwülste (rechts Schädel Nr. 5 aus der Fundstelle „Sima de los Huesos“ in Spanien), aber auch beachtliche geistige Fähigkeiten. Er wurde zum Ahn von Neandertalern und modernen Menschen
Auf dem Bild ist ein CT-Scan der Zähne von Homo luzonensis zu sehen. An der anatomischen Beschaffenheit der Zähne erkennen Paläoanthropologen eine Kombination von Merkmalen, wie sie bei keiner anderen Menschenart vorkommt
An den Zähnen von Homo luzonensis – hier im CT-Scan – erkennen Paläoanthropologen eine Kombination von Merkmalen, wie sie bei keiner anderen Menschenart vorkommt
Auf der linken Seite des Fotos sind vor schwarzem Hintergrund die versteinerten Knochen einer Hand von Homo naledi zu sehen, auf der rechten die Knochen eines Fußes. Die fossilen Körperteile sind jeweils von oben gezeigt und nahezu vollständig erhalten. Für den Laien sehen sie denen heutiger Menschen ähnlich, Fachleute können aber erkennen dass die Finger- und Zehenknochen gekrümmt sind – und damit zum Klettern geeignet.
Die Handknochen (links) und die Fußknochen (rechts) von Homo naledi zeigen eine seltsame Mischung: Sie scheinen einerseits gut zum Klettern geeignet, besitzen aber auch Ähnlichkeiten zu heutigen Menschen
Das Foto zeigt einen muskelbepackten Mann mit gewaltiger Nase und breitem Mund, der sich auf seinen Wurfspeer stützt – es ist die Rekonstruktion eines Neandertalers am Neanderthal Museum in Mettmann. Forscher entdeckten jetzt Genbruchstücke von Neandertalern bei heutigen Menschen in Afrika.
Vor mehr als 200.000 Jahren entwickelte sich in Europa der Neandertaler – hier eine Rekonstruktion des Neanderthal Museums in Mettmann. Er hinterließ genetische Spuren in vielen heutigen Menschen – sogar auf dem afrikanischen Kontinent
Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig rekonstruierten den schon länger bekannten Schädelfund von Jebel Irhoud in Marokko als Modell im Computer. Anhand der Rekonstruktion konnten sie zeigen, dass der Schädel eindeutig zu einem Homo sapiens gehört, also um einen Vertreter unserer eigenen Art. Zudem datierten die Forscher den Fund mit neuen Methoden und kamen auf ein überraschendes Ergebnis: Der älteste Homo sapiens lebte bereits vor 300.000 Jahren.
Die Computer-Rekonstruktion des Schädels von Jebel Irhoud in Marokko durch Forscher am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie zeigt: Es handelt sich eindeutig um einen Homo sapiens, um einen Vertreter unserer Art. Und die Datierung beweist: Er lebte bereits vor 300.000 Jahren!
Abgebildet ist die Frontalansicht des 3,8 Millionen Jahre alten Schädels von Australopithecus anamensis. Der Schädel offenbart ein Wesen mit kräftig gebauten Augenhöhlen und ausladenden Wangenknochen. Einen derart vollständigen Schädel eines Vormenschen haben die Forscher bislang selten gefunden
Der 3,8 Millionen Jahre alte Schädel von Australopithecus anamensis ist so komplett wie wenig andere vormenschliche Fossilien. Bemerkenswert sind die kräftig gebauten Augenhöhlen und die ausladenden Wangenknochen
Das Foto zeigt den 1947 in Südafrika gefundenen, fossilen Schädel eines Wesens, das als Australopithecus africanus bezeichnet wird. Der Schädel hat mächtige Knochenwülste über den Augen und bietet Raum für ein nur kleines Gehirn. Insgesamt erinnert er deutlich mehr an einen Schimpansen als an einen Menschen. Dennoch können Forschende an Details erkennen, dass Australopithecus den aufrechten Gang beherrschte. Mit dem Wesen war ein Bindeglied zwischen Mensch und Affe gefunden worden, das Darwins Theorie von der Evolution bestätigte.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckten Forscher die Fossilien eines seltsamen Wesens: Australopithecus africanus – hier der 1947 in Südafrika gefundene, als „Mrs. Ples“ bekannte Schädel – besaß einen Körper ähnlich dem eines Schimpansen, konnte aber aufrecht gehen wie ein Mensch. Das erste Bindeglied zwischen beiden war gefunden und bestätigte Darwins Theorie
Abgebildet ist die seitliche Ansicht des Schädelfossils von Australopithecus anamensis: Kräftig gebaut waren Kiefer und Zähne des Vormenschen, doch besaß er nur ein kleines Gehirn und sein Schädel war schmal und länglich.
Das Gehirn von Australopithecus anamensis war eher von bescheidener Größe, lässt der längliche, schmale Schädel erkennen. Kräftig gebaut waren dagegen Kiefer und Zähne
Auf dem Foto ist der sehr gut erhaltene, knapp zwei Millionen Jahre alte Schädel von Australopithecus sediba zu sehen. Der Vormensch wirkt noch affenähnlich und hatte ein recht kleinen Gehirn mit nur 420 Kubikzentimeter Volumen. Das ist kaum größer als das Gehirn eines Schimpansen. Der in Südafrika gefundene Vormensch lebte zeitgleich mit den ersten Vertretern der Gattung Homo.
Australopithecus sediba war ein Vormensch mit nur kleinem Gehirn, der vor knapp 2 Millionen Jahren in Südafrika lebte – ein Zeitgenosse der ersten Menschen
Dieser Schädel des 1938 entdeckten Paranthropus robustus lässt erkennen, dass das Wesen riesige Zähne, aber aber nur ein bescheidenes Gehirn besaß. Es handelt sich um einen aufrecht gehenden Verwandten des Menschen, der heute aber einer ausgestorbenen Seitenlinie zugeordnet wird.
Rätsel gibt der 1938 entdeckte Paranthropus robustus auf: Ein aufrecht gehender Verwandter aus der Menschenfamilie, der riesige Zähne, aber nur ein mickriges Gehirn besitzt
Links ist die Schwarz-weiß-Grafik vom Skelett eines aufrecht stehenden Wesens zu sehen: Der Vormensch Ardipithecus ramidus. Er zeigt lange Arme mit langen Fingern daran und Füße, die dank eines abspreizbaren großen Zehs gut Äste umgreifen können und damit für ein Leben auch auf Bäumen sprechen. Rechts ist der fossile Schädel von Ardipithecus zu sehen, der zeigt: Viel Hirn besaß dieser menschliche Verwandte noch nicht.
Noch recht nah am Affen war der Vormensch Ardipithecus ramidus. Zwar konnte er sich aufrecht fortbewegen, doch die langen Arme und die Greifzehen an den Füßen zeugen auch von einem Baumleben. Das Gehirn hatte nur bescheidene Größe
Auf dem Foto ist links der fossile Unterkiefer und rechts ein Vorbackenzahn von Graecopithecus freybergi zu sehen. Die Tübinger Forscherin Madelaine Böhme glaubt, dass es sich um die Relikte eines Vormenschen handelt, der vor mehr als sieben Millionen Jahren in Europa lebte und bereits aufrecht gehen konnte. Die Funde wurden in Griechenland und Bulgarien gemacht.
Mehr als 7 Millionen Jahre alt sind der in Griechenland gefundene Unterkiefer (links) und der aus Bulgarien stammende Vorbackenzahn (rechts) von Graecopithecus – einem nach Auffassung der Tübinger Forscherin Madelaine Böhme aufrecht gehenden, in Europa lebendem Vormenschen
Am fossilen Schädel des Nussknackermenschen Paranthropus boisei ist oben, auf dem Scheitel, eine knöcherne Erhebung zu erkennen. An diesem Knochenkamm setzten einst die stark ausgeprägten Kaumuskeln an.
Der Schädel des Nussknackermenschen Paranthropus boisei zeigt oben einen knöchernen Kamm. Dort setzten einst seine gewaltigen Kaumuskeln an
Die künstlerische Darstellung visualisiert, wie die Nussknackermenschen ausgesehen haben könnten – ihr Körper ähnelte noch weitgehend einem Affen, doch sie liefen aufrecht auf zwei Beinen.
So wie auf dieser künstlerischen Darstellung könnten die Nussknackermenschen ausgesehen haben – noch sehr an Affen erinnernd, aber aufrecht auf zwei Beinen laufend
Gezeigt wird der Schädel des affenähnlichen, aber vermutlich aufrecht gehenden Wesens Sahelanthropus tchadensis. Es sind sechs Ansichten des Schädels zu sehen: von vorne, hinten, die linke Seite, die rechte Seite, von oben und von unten. Die Entdecker glauben, dass es sich um einen Vormenschen handelt und damit um ein Mitglied der menschlichen Verwandtschaft.
Rund 7 Millionen Jahre alt soll der im Tschad gefundene Schädel von Sahelanthropus tchadensis sein. Auch wenn er stark verformt ist und an einen Affen erinnert: Einige Merkmals weisen darauf hin, dass er in die menschliche Verwandtschaft gehört

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