Ein Star am Nachthimmel: Komet C/2022 E3 (ZTF) bietet seltenes Gastspiel

Ein Fernglas zur Hand? Dann ist ein Logenplatz für das astronomische Highlight gesichert.

vom Recherche-Kollektiv Die Weltraumreporter:
7 Minuten
Ein Farbfoto zeigt die verschiedenen Komponenten des Kometen ZTF: Eine grünlich leuchtende Koma um den Kometenkern links, einen diffusen weiß-rötlichen Staubschweif, der nach oben rechts abströmt, und einen langen bläulichen Ionenschweif, der sich nach rechts bis über den Bildrand erstreckt.

Derzeit stattet uns ein eisiger Himmelskörper aus den Weiten des äußeren Sonnensystems einen kurzen Besuch ab. Für einige Tage dürfte sich der Komet am Nachthimmel sogar mit bloßen Augen beobachten lassen – vorausgesetzt, das Wetter spielt mit und man sucht einen dunklen Beobachtungsort außerhalb der hell erleuchteten Städte auf. Wenn der Wolkenvorhang aufgeht, gibt er den Blick frei auf eine Vorstellung, die uns die Natur kostenlos anbietet.

Was wissen wir über den Akteur, der überraschend bei uns eine Stippvisite macht und wo ist er am Himmel zu finden? Die Antworten darauf haben wir in diesen Beobachtungstipps zusammengestellt.

Seit wann ist dieser Komet bekannt?

Entdeckt wurde der Komet erst vor knapp einem Jahr, am 2. März 2022, am Palomar-Observatorium in Kalifornien. Dort durchforsten Astronomen und Astronominnen den Himmel mit einem speziellen Teleskop nach auffälligen Objekten, die rasch ihre Helligkeit ändern oder sich schnell am Himmel bewegen. Die Kamera dieser Zwicky Transient Facility (ZTF) hatte den Kometen als lichtschwaches Objekt im Sternbild Adler erfasst.

Was bedeutet die kryptische Bezeichnung C/2022 E3 (ZTF)?

Jeder Komet erhält nach seiner Entdeckung eine systematische Bezeichnung aus Zahlen und Buchstaben, die im Wesentlichen das Entdeckungsdatum widerspiegelt, sowie den Namen des Entdeckers.

Das Präfix „C“ steht dabei für das englische Wort comet und wird für alle Kometen vergeben, deren Umlaufzeit um die Sonne größer als 200 Jahre ist. Nach dem Entdeckungsjahr folgt der Halbmonatszeitraum der Entdeckung, der durch einen Großbuchstaben codiert ist. So stünde A für die erste Hälfte des Januars, B für dessen zweite Hälfte, und so weiter. Innerhalb eines Halbmonats werden die entdeckten Kometen laufend durchnummeriert.

Die Angabe 2022 E3 bedeutet also: Es ist der dritte Komet, der in der ersten Märzhälfte des Jahres 2022 entdeckt wurde.

Das Kürzel ZTF schließlich steht für den Entdecker, in diesem Falle die Zwicky Transient Facility, ein automatisiertes Himmelsdurchmusterungsprogramm.

Zuständig für die Benennung von Kometen ist das Minor Planet Center in den USA, das die von der Internationalen Astronomischen Union festgelegten Regeln zur Namensvergabe umsetzt.

Wie nah kommt der Komet unserer Erde?

Im Lauf des Januars kommt der Komet der Erde kontinuierlich näher und erreicht am 1. Februar 2023 mit 42,5 Millionen Kilometern den kleinsten Abstand. Dieser entspricht 28 Prozent der mittleren Entfernung zwischen Erde und Sonne, also 0,28 Astronomischen Einheiten. Selbst bei der größten Annäherung ist der Komet also noch 110 Mal so weit von uns entfernt wie der Mond.

Eine Grafik mit schwarzem Hintergrund zeigt die Bahnen der Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars in verschiedenen Farben und die fast senkrecht dazu stehende Bahn des Kometen ZTF in Weiß.
Die Bahn des Kometen C/2022 E3 (ZTF) im inneren Sonnensystem. Die grauen Linien zeigen den Abstand der Kometenbahn zur Ekliptik an.

Welche Bahn nimmt der Komet durch unser Sonnensystem?

Komet C/2022 E3 (ZTF) bewegt sich auf einer langgestreckten elliptischen Bahn durch das Sonnensystem, die um 109 Grad gegen die Erdbahnebene, die Ekliptik, geneigt ist. Dadurch verläuft nicht nur die Bahn sehr steil zur Erdbahnebene, sondern der Komet bewegt sich gegenüber allen Planeten retrograd, also in entgegengesetzter Umlaufrichtung um die Sonne.

Bereits am 12. Januar 2023 hatte der Komet mit 166,4 Millionen Kilometern seine geringste Entfernung zur Sonne erreicht. Dies entspricht einer Entfernung von 1,11 Astronomischen Einheiten. Das heißt, selbst bei seiner größten Annäherung war der Komet noch weiter von der Sonne entfernt als unsere Erde.

Seine weitere Passage durch das innere Sonnensystem führt den Kometen zunächst an der Erde vorbei, bevor er am 21. Februar in einem kleinsten Abstand von 0,46 Astronomischen Einheiten am Planeten Mars vorbeizieht.

Die ehemals elliptische Bahn wird sich durch die Gravitationswirkung von Jupiter und den anderen Planeten möglicherweise so ändern, dass der Komet niemals mehr in das innere Sonnensystem zurückkehrt, sondern in den interstellaren Raum entweicht. Vielleicht ist es also die letzte Stippvisite dieses Himmelskörpers.

Wie groß ist der Komet?

Der eigentliche Himmelskörper, der Kometenkern, dürfte nur wenige Kilometer groß und von irregulärer Gestalt sein. Genau wissen wir das nicht. Denn was wir von einem Kometen sehen, ist nicht sein fester Kern, sondern nur dessen Ausdünstungen, die den Kern einhüllen und sich über mehrere Millionen Kilometer erstrecken können.

Wie wir aus Untersuchungen durch Raumsonden wissen, besteht ein Kometenkern aus einem Konglomerat von Staub, Wassereis und gefrorenen Gasen. Kommt so ein Himmelskörper in die Nähe der Sonne, erwärmt sich die Oberfläche des eisigen Brockens. Ein Teil des Eises sublimiert, geht also von der festen Phase direkt in den Gaszustand über. Das ausströmende Gas reißt dabei Staubpartikel mit, die sich entlang der Kometenbahn verteilen.

Infolge dieses Prozesses und der Einwirkung des Sonnenwinds entwickelt der Komet die für einen solchen Schweifstern typischen Komponenten: Erstens eine schalenförmige Koma auf der sonnenzugewandten Seite, die aus leicht flüchtigen Substanzen und Staub besteht. Zweitens einen diffusen, meist gekrümmten Staubschweif. Er besteht aus Staubteilchen, die durch den Strahlungsdruck der Sonne von der Koma weggedrückt werden. Und drittens einen dünnen Plasma- oder Ionenschweif, der aus geladenen Atomen und Molekülen besteht. Der Sonnenwind, ein permanent von der Sonne ausgehender Strom aus geladenen Teilchen, die ein Magnetfeld mit sich führen, bläst die Ionen in den Raum hinaus. Der Ionenschweif ist daher stets direkt von der Sonne weggerichtet.

Eine Animation zeigt einen Kometen, dessen Ionenschweif sich von links nach rechts erstreckt. Verdichtungen im Schweif bewegen sich rasch vom Kometen weg.
Der Sonnenwind beeinflusst die Strukturen im langen Ionenschweif. In dieser Animation aus mehreren Einzelbildern ist zu erkennen, wie eine Verdichtung im Ionenschweif durch den Sonnenwind weggetrieben wird.

Wo am Himmel ist der Komet zu sehen?

Seit Anfang Januar bewegt sich der Komet am Himmel vom Sternbild Nördliche Krone aus weiter nach Norden, wodurch sich seine Sichtbarkeit verbessert. In der letzten Januarwoche zieht er, immer heller werdend, zwischen den Sternbildern Großer Bär und Kleiner Bär hindurch, die volkstümlich auch als Großer und Kleiner Wagen bekannt sind.

An den letzten beiden Januartagen befindet sich der Komet nur etwa zehn Grad vom Polarstern entfernt. Um diese Zeit dürfte er auch seine maximale Helligkeit erreichen. Danach zieht er weiter durch das unscheinbare Sternbild Giraffe. Am 6. Februar passiert der Komet den hellen Stern Kapella im Fuhrmann in einem Abstand von nur 1,5 Grad. Fünf Tage später, am 11. Februar, zieht er am Planeten Mars vorbei und am 15. Februar am Stern Aldebaran. Bis dahin hat seine Helligkeit wieder merklich abgenommen.

Eine Sternkarte, in der die Bahn des Kometen am Himmel eingezeichnet ist, hält die Vereinigung der Sternfreunde auf ihrer Website bereit.

Ich habe kein Teleskop. Kann ich den Komet trotzdem sehen?

Ja. Eine gute Idee ist, ein Fernglas zu nutzen. Denn ein solches optisches Instrument erleichtert nicht nur das Aufsuchen des Schweifsterns, sondern lässt auch eindrucksvolle Details erkennen.

Ratsam ist auch, zum Beobachten einen dunklen Platz außerhalb der hell erleuchteten Städte aufzusuchen. Wer seinen Augen genügend Zeit gibt, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen (etwa eine halbe Stunde) wird lichtschwächere Objekte am Himmel erkennen können. Jeder Blick aufs Handy oder das Benutzen von Taschenlampen mit weißem Licht wird allerdings die Dunkeladaption der Augen wieder zunichtemachen. Vorteilhaft sind Taschenlampen mit rotem Licht, denn dieses stört die Anpassung der Augen an die Dunkelheit nicht.

Mehr Tipps zum erfolgreichen Beobachten des Nachthimmels können Sie in unserem Ratgeber nachlesen.

Noch ist ungewiss, ob der Komet tatsächlich mit bloßen Augen zu sehen sein wird, wie manche Prognosen erwarten lassen. Kometen sind bekannt dafür, dass ihre Helligkeitsentwicklung individuell sehr unterschiedlich ist. Zwar ist ihre Bahn und die Beobachtungsgeometrie gut bekannt, doch die erreichte Helligkeit hängt wesentlich davon ab, wieviel Material der Kometenkern freigesetzt hat. Besteht der Kern aus lockerem Material und viel flüchtigen Substanzen, wird die Helligkeit höher sein, als wenn der Kern nur wenig Staub und Gas verliert.

Ein Farbfoto zeigt die verschiedenen Komponenten des Kometen ZTF: Eine grünlich leuchtende Koma um den Kometenkern links, einen diffusen weiß-rötlichen Staubschweif, der nach oben rechts abströmt, und einen langen bläulichen Ionenschweif, der sich nach rechts bis über den Bildrand erstreckt.
Komet C/2022 E3 (ZTF) ist für Astrofotografen bereits seit Wochen der Star am Nachthimmel.

Warum erscheint der Komet auf Fotos grün?

Tatsächlich erscheinen manche Kometen bei Annäherung an die Sonne grün. Diese Färbung ist auf einen Teil der Koma begrenzt und auch nur auf Fotos gut zu sehen. Das menschliche Auge vermag nachts Helligkeitsunterschiede gut wahrzunehmen, kann aber kaum Farben erkennen. Nur bei besonders hellen Kometen lässt sich die grünliche Färbung auch bei visueller Beobachtung mit einem Teleskop erahnen.

Die Grünfärbung geht auf ein bestimmtes Molekül zurück, das unter dem Einfluss der Sonnenstrahlung in der Koma entsteht und zu leuchten beginnt. Kohlenstoffhaltige Substanzen, die von der Oberfläche des Kometenkerns freigesetzt werden, zerfallen unter dem Einfluss der Ultraviolettstrahlung der Sonne. Zeitweise entsteht dabei ein aus zwei Kohlenstoffatomen bestehendes Molekül (C2), dessen durch die Sonnenenergie angeregtes Fluoreszenzleuchten für die Grünfärbung verantwortlich ist.

Das C2-Molekül ist allerdings hochreaktiv und wird nach einer Weile durch die intensive Sonnenstrahlung wieder zerstört. Aus diesem Grund ist das grüne Leuchten auf die Koma des Kometen beschränkt. Die Moleküle sind bereits wieder zerfallen, bevor sie die Chance hatten, in den Schweif hinein getrieben zu werden.

Es heißt, der Komet sei letztmals zu sehen gewesen, als noch Neandertaler lebten. Stimmt das?

Aus der vermessenen Bahnkurve des Kometen lassen sich auch seine früher zurückgelegte Bahn und seine Umlaufzeit errechnen. Demnach könnte er bereits vor etwa 52 000 Jahren in Sonnennähe gewesen sein. Das ist eine Zeit, in der in Europa noch der Neandertaler lebte und in der Australien gerade von Menschengruppen besiedelt wurde, die aus Südostasien einwanderten.

Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass unsere Urahnen von diesem Kometen Notiz nahmen. Denn dazu müsste er deutlich heller gewesen sein als bei seiner jetzigen Erscheinung.

Wann kommt der nächste große Komet?

Nach jetzigem Stand wird C/2022 E3 (ZTF) der hellste Komet des Jahres 2023 sein. Nur wenige Kometen in den letzten Jahrzehnten waren heller und von der Nordhalbkugel der Erde aus zu sehen. Dazu zählen zum Beispiel C/2020 F3 (NEOWISE) im Juli 2020 und vor allem Hale-Bopp, der als der Große Komet von 1997 in die Geschichtsbücher einging und mit einer Eigenschaft alle Kometen aus früheren Jahrhunderten übertrumpfte: Hale-Bopp war 18 Monate lang am Himmel mit bloßen Augen zu erkennen.

Derzeit ist nicht bekannt, wann wieder ein heller Komet den irdischen Nachthimmel zieren wird. Solche Himmelskörper haben Umlaufzeiten von mehreren tausend Jahren. Auch wenn sich viele von ihnen bereits der Sonne nähern dürften: Es wird eine Überraschung bleiben, wann der nächste große Komet in Sonnennähe auftaucht.

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