Häufigkeit von Long Covid bisher überschätzt?

Fachleute sehen gravierende methodische Mängel bei Studien zur Erfassung von Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion. Andere Experten mahnen, das Erkrankungsbild dennoch ernst zu nehmen.

vom Recherche-Kollektiv Postviral:
5 Minuten
Das Foto zeigt eine elektronenmikroskopische Aufnahme von Coronaviren (grün) die Körperzellen (grau) infizieren.

In akademischen Fachjournalen, aber auch in den Medien allgemein und vor allem in den sozialen Netzwerken werden offenbar überhöhte Long Covid-Raten nach einer überstandenen Corona-Infektion genannt. Das zumindest sehen die Fachleute für Epidemiologie, Tracy Beth Høeg und Vinay Prasad von der University of California sowie der Facharzt für Infektionskrankheiten bei Kindern Shamez Ladhani von der St George's University of London so und wollen auf diesen Missstand aufmerksam machen: „Wie methodische Fallstricke zu weit verbreiteten Missverständnissen über Long Covid geführt haben“, lautet der Titel ihrer Analyse, die im FachmagazinBMJ Evidence-Based Medicine erschienen ist.

Die Überschätzung der post-akuten Folgen von Covid-19 würde die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung unnötig steigern, kritisieren die drei Experten. Methodische Fehler hätten zu den irreführenden Angaben über Long Covid geführt. So würden sogar die US-Gesundheitsbehörden Centers for Disease Control (CDC) schreiben: „Nahezu einer von fünf Erwachsenen in Amerika, der Covid-19 hatte, leidet unter Long Covid.“

Høeg, Prasad und Ladhani wollen mit ihrem Kommentar aufrütteln im positiven Sinne: Studien müssten verbessert und Aussagen zu Long Covid sorgsam geprüft werden, denn: „Fehlerhafte Methoden dienen nicht denjenigen, denen die Medizin helfen möchte.“ Durch eine Verbesserung der Standards könne das Risiko einer Fehldiagnose verringert und unangemessene Behandlungen vermieden werden.

Doch nicht alle Expertinnen und Experten teilen diese Einschätzung uneingeschränkt. „Leider handelt es sich hierbei um eine fehlerhafte Analyse, die mehr Missverständnisse über Long Covid hervorruft, als sie anspricht“, kritisiert Jeremy Rossman von der School of Biomedicine an der University of Kent. Der Artikel berge das Risiko, Long Covid noch weiter herunterzuspielen, was die Chancen für Betroffene, medizinische Versorgung zu erhalten, verschlechtern könne: „Darüber hinaus stellt der Text die Long-Covid-Forschung im Großen und Ganzen als fehlerhaft dar“, erbost sich der Virologe Rossman.

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