Geschichte der Krebsmedizin: Zurück in die Zukunft der Immuntherapie?

Vor 130 Jahren behandelte der Chirurg William Coley erstmals Krebspatienten mit abgetöteten Erregern – und hatte Erfolg. Er gilt nicht nur als der Begründer der modernen Immuntherapie bei Krebs, sondern könnte uns heute noch wichtige therapeutische Anstöße liefern. Teil 2 der Serie „Der Tod der Tumorzelle“

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Das historische Schwarz-Weiß-Bild zeigt einen alten grauhaarigen Mann mit Schnurrbart in einem dunklen Anzug und dunkler Krawatte.

Ein hoffnungsloser Fall: Die Ärzte hatten den Patienten bereits zweimal wegen eines eiförmigen Tumors in der linken Wange operiert – doch das Geschwür war zurückgekehrt. Eine dritte OP konnte das fast handgroße Sarkom, eine traubenartige Wucherung unterhalb des linken Ohres, nur zum Teil entfernen. Zu allem Übel entwickelte sich eine Wundrose, eine Infektion mit dem Bakterium Streptococcus pyogenes.

Doch dann geschah das Unerwartete: Mit jedem Fieberschub, der den schwerkranken Patienten schüttelte, schrumpfte der Tumor und verschwand schließlich ganz. Nach viereinhalb Monaten wurde der Mann aus dem New York Memorial Hospital als geheilt entlassen.

Der Chirurg William Coley (1862 bis 1936) war am gleichen Krankenhaus tätig und verzweifelte an den Grenzen seiner ärztlichen Kunst. Im Jahr 1891 war die 17-jährige Elisabeth Dashiell trotz Amputation ihres rechten Unterarmes an einem Knochensarkom gestorben. Hatte er etwas übersehen, hätte er die junge Frau retten können? Frustriert suchte Coley nach onkologischen Erfolgsgeschichten im Hospital und entdeckte die Krankenakte des wundersam geheilten Patienten. Dessen Entlassung lag sieben Jahre zurück, aber Coley konnte ihn ausfindig machen: Der Mann lebte noch und abgesehen von einer langen Narbe erinnerte nichts an seine Krebserkrankung.

Die schwere Infektion der Wunde musste zur Heilung des Mannes beigetragen haben. Aber wie? Heute wäre Coleys beherztes Vorgehen aus ethischen Gründen undenkbar, aber er infizierte zehn TumorpatientInnen im Memorial Hospital gezielt mit Wundrose. Der Erfolg war durchwachsen. Bei einigen gab es gar keine, bei anderen eine tödlich verlaufende Infektion. Bei manchen aber bildete sich der Tumor zurück.

Bisher erschienen in der Serie „Der Tod der Tumorzelle“

Teil 1: Wie das Immunsystem vor Krebserkrankungen schützt

Teil 2: Geschichte der Krebsmedizin: Zurück in die Zukunft der Immuntherapie

Teil 3: Riskante Krebstherapie? US-Behörde untersucht Sicherheitsrisiken bei Empfängern von CAR-T-Zellen