Die Urzeit-Gene in uns

Wie das Erbgut des Neandertalers dem Homo sapiens bei der Anpassung half

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Das Bild zeigt die künstlerische Darstellung vom Gesicht eines Neandertalers mit braunen Augen und dichten, dunklen Haaren. Sein Arm ist zum Teil von einem flauschigen, weiß-braunen, auf der Schulter ruhenden Fell bedeckt. Er hält ihn schräg vor sich, so dass seine Mundpartie verdeckt ist – als ob er sich vor etwas schützen wolle. Vor vermutlich 60.000 Jahren haben sich Homo sapiens-Leute mit Neandertalern vermischt. Einige vom Neandertaler übernommene Gene halfen bei der Anpassung und beeinflussen bis heute unser Aussehen und unsere Anfälligkeit für manche Krankheiten.

Die außerhalb Afrikas lebende Weltbevölkerung trägt rund zwei Prozent Genmaterial in ihrem Erbgut, das vom Neandertaler stammt und eine Vielzahl körperlicher Merkmale beeinflusst. Ganz offensichtlich hatten die beiden Menschenformen gelegentlich Sex miteinander. Doch weshalb starb der Urmensch aus, während sein Erbe in uns überlebte? Was bewirken die Neandertaler-Gene und wie ist zu erklären, dass uns manche von ihnen sogar anfälliger für Krankheiten machen?

Im schummerigen, bläulichen Licht eines Labors arbeitet eine Forscherin, die mit weißem Kittel, Handschuhen, Haarhaube und Mundschutz ausgestattet ist. Höchste Reinheit ist Voraussetzung bei der Analyse uralter Erbsubstanz am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Die Analysen ergaben: Ein von Neandertalern stammendes Stück Erbsubstanz sorgt bei heutigen Menschen dafür, dass eine Corona-Infektion einen besonders schweren Verlauf nehmen kann.
Eine Forscherin arbeitet im Reinraum-Labor des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Hier werden uralte Genschnipsel von Neandertalern analysiert. Dabei kam heraus: Einer dieser Erbfaktoren verschlimmert bei heutigen Menschen den Verlauf einer Corona-Infektion
Zu sehen ist eine Collage, die links den Kopf eines Europäers, in der Mitte das Modell der Erbsubstanz DNA und rechts das Haupt eines Neandertalers zeigt. Die künstlerische Darstellung soll die Erkenntnisse des Forschers Tony Capra von der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, symbolisieren. Nach dessen Analysen beeinflussen Neandertaler-Gene bei heutigen Europäern die Neigung zu Depressionen, das Suchtverhalten und den Stoffwechsel.
Genvariationen, die der Homo sapiens vom Neandertaler erhielt, beeinflussen bei heutigen Europäern die Neigung zu Depressionen, das Suchtverhalten und den Stoffwechsel – fand Tony Capra von der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee
Das Foto zeigt das Hauptgebäude der Universität von Tartu in Estland. Es ist in klassizistischem Stil errichtet und leuchtet in weiß-grauen Farbtönen vor einem grau bedeckten Himmel. An dieser Universität forscht der Genetiker Michael Dannemann. Er ermittelte am Erbmaterial von mehr als 200.000 Japanern, dass deren Neandertaler-Erbe unter anderem die Wahrscheinlichkeit vermindert, an Prostata-Krebs zu erkranken.
An der altehrwürdigen Universität von Tartu in Estland arbeitet der Genetiker Michael Dannemann. Er veröffentlichte im Dezember 2020 eine Studie, in der das Neandertaler-Erbe von Japanern analysiert wurde. Eines der Ergebnisse: Die uralten Gene senken das Risiko, an Prostata-Krebs zu erkranken
Auf dem Bild sind die Oberkörper von mehreren, hintereinander stehenden schwangeren Frauen zu sehen, die ihre Hände auf den Bauch halten. Das Foto soll Schwangerschaft und Fruchtbarkeit symbolisieren. Forscherïnnen aus Leipzig fanden jetzt heraus, dass Frauen, die eine bestimmte Genvariante – einen Rezeptor für das Hormon Progesteron – von Neandertalern geerbt haben, mehr Kinder gebären
Eine von drei Frauen in Europa hat den Rezeptor für das Hormon Progesteron von Neandertalern geerbt, ermittelten Forscherïnnen aus Leipzig. Die Genvariante fördert die Fruchtbarkeit
Die Abbildung zeigt links einen das computergenerierte Bild eines Neandertaler-Schädels von der Seite. Er ist langezogen und enthält eine rot gefärbte Darstellung vom Gehirn des Urmenschen. Rechts ist die entsprechende Ansicht eines Homo sapiens-Schädels zu sehen, dessen Gehirn blau dargestellt ist. Dessen Schädel und Gehirn sind fast rund, während sie beim Neandertaler länglich sind. Ein internationales Team aus Leipzig und Nijmegen, Niederlande, untersuchte jetzt, welchen Einfluss die Gene der Neandertaler auf die Hirnstruktur heutiger Menschen haben.
Neandertaler (links) hatten längliche Schädel mit einem lang gestreckten Gehirn, während Schädel und Gehirn beim Homo sapiens (rechts) rundlich sind. Welchen Einfluss die Gene der Neandertaler auf die Hirnstruktur heutiger Menschen haben, untersuchte jetzt ein internationales Team aus Leipzig und Nijmegen in den Niederlanden

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