Impfstopp für AstraZeneca: Was wir wissen und wie es nun weitergeht
FAQ zur Corona-Pandemie
Am Montag 15. März 2021 hat das Bundesgesundheitsministerium auf Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) Impfungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca vorerst ausgesetzt. Bei der Routine-Überwachung nach der Zulassung hatte das PEI als zuständige deutsche Behörde Verdachtsmeldungen erhalten, die Impfung mit AstraZeneca könne eine besondere Art von Blutgerinnseln im Gehirn (Sinusvenen-Thrombosen) auslösen. Die Anzahl der Meldungen war im Verhältnis zu den Impfungen sehr klein, aber laut PEI in der zeitlichen Häufigkeit auffällig.
Was wir bisher wissen
Seit Anfang Februar wurden rund 1,6 Millionen Impfdosen mit dem AstraZeneca-Vakzin in Deutschland verabreicht. Insgesamt wurden dem PEI dabei sieben Fälle von schwerwiegenden Hirnvenen-Thrombosen gemeldet, die in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen und Blutungen standen und vier bis 16 Tage nach der Impfung auftraten. Die Personen, bei denen eine Sinusvenen-Thrombose aufgetreten ist, waren zwischen 20 und 50 Jahren alt. Sechs von ihnen waren Frauen. Bei einem Mann wurden Hirnblutungen gemeldet, die das PEI als medizinisch vergleichbar einstuft. Drei Betroffene sind verstorben. In einer Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestages am Mittwoch 17. März 2021 teilte das PEI mit, dass inzwischen acht Fälle von Hirnvenen-Thrombosen bekannt sind, die Anzahl der Todesfälle hat sich nicht verändert.
Solche Sinusvenen-Thrombosen können auch andere Ursachen haben: Als Risikofaktoren gelten etwa die Einnahme der Anti-Baby-Pille oder angeborene Blutgerinnungsstörungen. Betroffen sind jedes Jahr etwa zwei bis fünf von einer Million Menschen. Nach neueren Schätzungen könnte die Häufigkeit auch bei bis zu 15 Fällen pro einer Million Menschen pro Jahr liegen. Das PEI führt zwei wesentliche Argumente für die Empfehlung zum vorläufigen Impfstopp an:
- Laut Berechnung des PEI wäre bei der normalen Häufigkeit von Hirnvenenthrombosen in der Allgemeinbevölkerung in einem Zeitfenster von 14 Tagen ein Fall zu erwarten – gemeldet wurden aber sieben. Das stuft das PEI erhöhte Häufigkeit ein, die abgeklärt werden muss.
- Die Personen, die von der mutmaßlichen Nebenwirkung betroffen waren, gehören nicht zu den Risikogruppen für schwere oder tödliche COVID-19-Verläufe. Würde sich herausstellen, dass es sich bei den Verdachtsfällen tatsächlich um eine Nebenwirkung des Impfstoffs handelt, würde ein eher kleiner Nutzen der Impfung einem nicht unerheblichen Risiko gegenüber stehen.
Bereits zuvor waren nach Impfungen mit AstraZeneca Fälle von anderen Thrombosen bekannt geworden. Verschiedene Länder hatten daraufhin die Impfungen mit AstraZeneca vorläufig gestoppt. Diese Thrombosen waren laut der europäischen Zulassungsbehörde EMA unter den Geimpften jedoch nicht häufiger als in der nicht geimpften Bevölkerung. Dieser Auffassung hatte sich das PEI am vergangenen Freitag angeschlossen. Da über das Wochenende jedoch mehr Fälle der sehr seltenen und schwerwiegenden Sinusvenen-Thrombosen gemeldet wurden, hat das PEI seine Einschätzung geändert.
In den Zulassungsstudien zum AstraZeneca-Impfstoff gab es keine Hinweise auf ein erhöhtes Thrombose-Risiko. Diese klinischen Studien können sehr seltene Risiken jedoch nicht entdecken, da dafür zu wenig Menschen an den Studien teilnehmen.
Als Warnzeichen für eine Sinusvenen-Thrombose gelten Kopfschmerzen. Diese können allerdings auch als harmlose Impfreaktion in den ersten drei Tagen nach der Impfung auftreten. Wenn allerdings ab Tag 4 bis zu zwei Wochen nach der Impfung anhaltende Kopfschmerzen auffallen oder punktförmige Hautblutungen (als Warnzeichen für einen Mangel an Blutplättchen), ist ein Arztbesuch sinnvoll, rät das PEI. Ärztïnnen können solche Thrombosen behandeln, wenn die Gegenmaßnahmen rechtzeitig beginnen.
Was wir bisher noch nicht wissen
Unklar ist, ob die Impfung tatsächlich in sehr seltenen Fällen eine Sinusvenen-Thrombose auslöst oder ob die Fälle nur zufällig zeitlich gleichzeitig auftraten. Dazu werten die Zulassungsbehörden derzeit weitere Dokumente aus, etwa ob bei den Betroffenen bestimmte Risikofaktoren vorlagen, um abzuschätzen, wie wahrscheinlich ein ursächlicher Zusammenhang ist.
In Großbritannien, wo bereits mehr als elf Millionen Menschen mit dem Impfstoff von AstraZeneca geimpft wurden, wurden bis Ende Februar drei Fälle einer Sinusvenen-Thrombose gemeldet. Warum die Zahl der Verdachtsmeldungen in Deutschland höher liegt, ist bislang ebenfalls noch offen.
Verdachtsmeldungen bedeuten nicht automatisch, dass ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Ebenso wenig lassen sich daraus Häufigkeiten verlässlich abschätzen, weil nicht alle möglichen Nebenwirkungen gemeldet werden (under-reporting) oder umgekehrt etwa durch mediale Berichterstattung die Aufmerksamkeit für bestimmte Beschwerden zu vermehrten Meldungen führen kann (over-reporting).
Wie es jetzt weitergeht
Update: Expertïnnen der EU-Arzneimittelagentur stufen den Corona-Impfstoff von AstraZeneca nach einer Prüfung von Daten aus mehreren EU-Ländern weiter als sicher ein. Die EMA befürwortet es, den Impfstoff weiten Teilen der Bevölkerung zu verabreichen. Am 19.3. empfahl auch die STIKO, AstraZeneca weiterhin einzusetzen.
Dr. Iris Hinneburg, Stand 19.3.2021
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