„Covid-19 während der Schwangerschaft ist absolut nicht zu empfehlen“

Eine Corona-Infektion während der Schwangerschaft ist weitaus gefährlicher für Mutter und Kind als eine Impfung. Darauf verweist nicht nur der Mediziner und Plazenta-Forscher Udo Markert. Auch zahlreiche Studien belegen dies.

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Auf dem Foto ist der Bauch einer schwangeren Frau zu sehen. Die Frau selbst und eine andere Person, die hinter der Frau steht, halten ihre Hand auf den Bauch.

Das Coronavirus gefährdet Mütter und ihre ungeborenen Kinder. So haben schwangere Frauen im Vergleich zu ihren Altersgenossinnen ein höheres Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken. Wenn sich eine Schwangere ansteckt, benötigt jede 10. bis jede 20. eine intensivmedizinische Betreuung. Die Rate an Frühgeburten ist im Falle einer Corona-Infektion zwei- bis dreimal so hoch.

Zudem kommen mehr Totgeburten vor: „Covid-19 in der Schwangerschaft verdoppelt das Risiko für eine Totgeburt“, sagt Udo Markert von der Klinik für Geburtsmedizin am Universitätsklinikum Jena. In den USA beispielsweise liegt die Rate an Totgeburten laut aktuellen Zahlen bei Müttern ohne Covid-19 bei 0,6 Prozent, mit Covid waren es bis Juli 2021 bereits 1 Prozent. Seit dem Sommer ist die Häufigkeit wegen der Delta-Welle sogar auf 2,7 Prozent angestiegen.

Der Mediziner Udo Markert, der die Plazenta und die Rolle des Immunsystems während der Schwangerschaft erforscht, sieht den Hauptgrund für die Gefährdung von Mutter und Kind in der Gesamtbelastung der Mutter durch die Infektion; weniger in einer direkten Bedrohung des ungeborenen Lebens durch das Virus. Das Coronavirus könne sich zwar in der Plazenta vermehren, doch nicht sehr effizient. „Es wird daher nur extrem selten von der Mutter auf das Kind übertragen“, sagt Markert.

Die Plazenta – eine wichtige Barriere für Krankheitserreger

Die Plazenta, der Mutterkuchen, ist ein sehr komplexes Organ, ein Gemeinschaftswerk aus mütterlichen und kindlichen Zellen. „Die Zotten des Fötus in der Plazenta fungieren als Lunge, Leber und Darm“, erklärt Udo Markert. Die Zotten bilden eine riesige Oberfläche im Kontakt zum mütterlichen Stoffwechsel – in der Mitte der Schwangerschaft etwa fünf, am Ende sogar bis zu 12 Quadratmeter groß. Hier wird ganz genau kontrolliert, was herein darf und was nicht. „Krankheitserreger dürfen nicht herein“, sagt Markert. Verantwortlich für die Kontrolle ist der so genannte Synzytiotrophoblast, der aus Milliarden miteinander verschmolzener Zellen besteht und die Zotten wie ein dünnwandiger Handschuh überzieht.

Einigen Parasiten, Viren und Bakterien, wie etwa Toxoplasmen, HIV, Herpes-Viren oder Listerien, gelingt es trotzdem durchzudringen. Mit zum Teil dramatischen Folgen für Mutter und Kind: die Entwicklung des Ungeborenen ist verzögert, es kommt zu Organschäden oder der Fötus stirbt.

Eine Infektion der Mutter mit dem Coronavirus muss nicht zur Infektion der Plazenta führen und selbst bei einer Infektion der Plazenta tritt das Virus nicht automatisch zum Fötus über. Das kann jedoch passieren. In einer Untersuchung in Indien mit 313 Neugeborenen, deren Mütter während der Schwangerschaft Covid-19 hatten, fand man nach der Geburt bei 24 Neugeborenen das Virus. Die Erkrankung kann bei den Kindern Lungenentzündungen und Atmungsprobleme verursachen, verläuft aber in den meisten Fällen mild.

Das Coronavirus gelangt also nur in seltenen Fällen vom mütterlichen in den kindlichen Kreislauf. Das Risiko dafür steigt, wenn viel infektiöses Virus im Blut der Mutter zirkuliert oder bei Vorerkrankungen wie einem Diabetes oder einer Präeklampsie. Hinweise dafür, dass das Coronavirus Fehlbildungen beim Fötus verursacht, also teratogen wirkt, gibt es bisher nicht. Die Plazenta-Barriere funktioniert in der Regel weiter, sogar wenn die Mutter schwer erkrankt ist. Dennoch ist Covid-19 eine Gefahr für die Schwangerschaft. Warum?

Schäden in der Plazenta durch Corona-Infektion

Thomas Menter und sein Team vom Institut für Medizinische Genetik und Pathologie am Universitätsspital Basel haben Plazenten von Frauen untersucht, die während der Schwangerschaft eine Covid-19 Erkrankung durchgemacht haben. Als häufigstes Merkmal fanden sie winzige Blutgerinnsel, verstopfte Gefäße und Entzündungsherde – sowohl auf der mütterlichen als auch der kindlichen Seite der Plazenta. Womöglich ist dadurch das Gewebe schlechter durchblutet und die Versorgung des Fötus mit lebensnotwendigen Stoffen gestört.

Studien, die ausschließlich Coronavirus-positive Plazenten von Covid-19 Müttern untersuchten, kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: bei rund einem Drittel gab es Anzeichen für eine verminderte Durchblutung des Plazentabettes oder eine Entzündung. Bei jeder zehnten Schwangerschaft fanden sich Hinweise auf eine Mangeldurchblutung des fötalen Gewebes im Bauch der Mutter.

Infektion schwächt die Mutter

Während einer Schwangerschaft ist das Immunsystem einer Frau an mancher Stelle weniger angriffslustig. Damit ihre Immunabwehr den Fötus, der ja zur Hälfte fremde, väterliche Merkmale trägt, nicht abstößt, reagiert sie toleranter als sonst. Besonders tolerant sind jene Abwehrzellen, die sich in unmittelbarer Nähe zum Fötus aufhalten. Die allgemein höhere Sterblichkeit von Frauen durch Infektionen in der Schwangerschaft erklären manche ForscherInnen mit den immunologischen und auch hormonellen Umstellungen in dieser Zeit. Besonders die antivirale Abwehr funktioniere nicht so wie sonst.

Udo Markert sieht das etwas anders: „Trotz der Toleranz ist das Immunsystem der Mutter während der Schwangerschaft erstaunlich leistungsfähig. Schwangere werden in der Regel nicht krank.“ Eine viel größere Rolle für die erhöhte Anfälligkeit von Schwangeren für Infekte der Atemwege spielten neben anderen anatomischen und physiologischen Anpassungen die mechanischen Belastungen der Lunge. „Der dicke Bauch drückt von unten, was die Belüftung des Lungengewebes stört.“ Es sei keine Überraschung, dass Atemwegserkrankungen speziell für Schwangere eine Bedrohung seien, deren Lungen sowieso schon schwerer arbeiten müssten als gewöhnlich, schreibt Nidhi Subbaraman im Fachjournal „Nature“.

Impfung statt Infektion

„Während der Schwangerschaft Covid-19 zu bekommen, ist absolut nicht zu empfehlen. Ich rate zur Impfung. Im Idealfall vor, im Zweifelsfall auch während einer Schwangerschaft“, sagt Udo Markert. Seit September 2021 empfiehlt die STIKO, Frauen ab dem zweiten Drittel der Schwangerschaft mit einem mRNA-Vakzin zu impfen. „Auch Wöchnerinnen und Stillende sollten gegen Covid-19 geimpft werden“, schreibt der Berufsverband der Frauenärzte e.V.. Bundesweit seien bisher rund 10.000 Fälle von Sars-CoV-2-positiven Schwangerschaften gemeldet worden, darunter zahlreiche intensivpflichtige Patientinnen und mehre Fälle mit tödlichem Ausgang.

In Großbritannien und den USA hätten bisher mehr als 275.000 Frauen eine Corona-Impfung in der Schwangerschaft erhalten, ohne dass bedenkliche Sicherheitssignale aufgetaucht seien, schreibt das britische „Royal College of Obsteticians and Gynaecologists“ in einer aktuellen Empfehlung. Es gebe einen exzellenten „Real-World“ Beweis für die Wirksamkeit der Impfung: 98 Prozent der Frauen, die im Krankenhaus wegen einer schweren Covid-19-Infektion behandelt werden müssten, wären nicht geimpft. Die verimpfte mRNA überwindet die Plazenta nicht und gelangt nicht in den Fötus. Das tun aber die Antikörper, die die Mutter nach der Impfung bildet.

Fruchtbarkeit durch Impfung nicht beeinträchtigt

Bisher gibt es keine Hinweise dafür, dass die Corona-Impfung der Fruchtbarkeit schadet. Zwei Studien finden keine Veränderung der Spermien-Konzentration und Beweglichkeit durch die mRNA-Impfstoffe. Die Reifung der Eizellen im weiblichen Eierstock ist bei Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften nicht beeinträchtigt. Ebenso beeinflusst die Impfung die Erfolgsrate von In-Vitro-Fertilisationen in einer israelischen Untersuchung nicht.

Schon rasch nach Beginn der Corona-Impfkampagne kursierten Falschinformationen im Internet, die Impfung würde die Produktion von Antikörpern auslösen, die sich nicht nur gegen das Spike-Molekül des Virus richteten, sondern auch gegen ein Protein, auf dem schon erwähnten Plazenta-Zotten-Handschuh, dem Synzytiotrophoblasten. Dieses Protein, das sogenannte Syncytin-1 besteht aus 538 Aminosäure-Bausteinen. Eine Folge von fünf dieser Bausteine „VVLQN“ ähnelt einer Fünferfolge im Spike-Protein „VVNQN“, das aus insgesamt 1273 Aminosäuren besteht. „Diese extrem geringe Ähnlichkeit ist im Zufallsbereich anzusiedeln“, sagt Udo Markert. Das Maß der Ähnlichkeit ist sogar dermaßen gering, dass sie mit jedem anderen Protein im menschlichen Körper gefunden werden könnte.

Auch bei Frauen, die Covid-19 überstanden haben, findet man keine Antikörper, die an das Syncytin-1 binden. Die Impfung stört nach bisherigem Kenntnisstand die Einnistung des befruchteten Eies in die Gebärmutterschleimhaut und die frühen Entwicklungsphasen des Embryos nicht. Im Gegenteil. Geimpfte Mütter haben ein deutlich geringeres Risiko für einen vorzeitigen Blasensprung als Covid-19-Erkrankte (0,8 versus 8,3 Prozent) und Frühgeburten (7,3 versus 21,4 Prozent). Die Fehlgeburtenrate ist bei den Erkrankten mit über 4 Prozent auffällig erhöht. Aus der Perspektive der Fortpflanzung sei es eine kluge Wahl, geimpft zu sein, anstatt sich den möglicherweise schweren Symptomen einer Coronavirus-Infektion auszusetzen, fassen ForscherInnen den aktuellen Wissensstand zusammen.

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