Über Heidelberg thront eine Galaxie

Ein Gespräch mit Markus Pössel vom Haus der Astronomie darüber, wie eine Wissenschaft Schule macht.

6 Minuten
Das Haus der Astronomie

Das Haus der Astronomie auf dem Königstuhl hat sich als einzigartiges Zentrum für astronomische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit etabliert. Felicitas Mokler sprach mit dessen Leiter Markus Pössel über eine Mission, die unter Heidelberger Astronomen ein lange Tradition hat.

Felicitas Mokler: Spaziert man auf dem Königstuhl durch den Wald an der Landessternwarte vorbei, trifft man auf dem Gelände des Max-Planck-Instituts für Astronomie plötzlich auf ein irgendwie außerirdisch anmutendes Gebäude: Was hat es damit auf sich, Herr Pössel?

Markus Pössel: Das ist eine nachgebaute Spiralgalaxie. Wenn man von oben auf das Gebäude guckt und den Anblick mit astronomischen Fotos vergleicht, sieht man, dass es genau die Form der Galaxie M51 hat. Allerdings nicht in der dritten Dimension, denn maßstabsgerecht wäre es nur 90 Zentimeter hoch.

Wer hatte die Idee dazu?

Die Galaxienform hat Herr Tschira vorgeschlagen. – Ich war selbst nicht dabei, man hat es mir so erzählt: Bei einem Brainstorming machte Herr Tschira so eine Handgeste: In der Mitte brauchen wir einen Hörsaal; dann eine Handgeste nach außen: wir brauchen Klassenzimmer, und noch eine spiralige Geste: Und wir brauchen Büroräume. Mit diesen drei Gesten hatte er die Spiralform vorgezeichnet. Die Architekten haben das dann umgesetzt.

Zwei Männer im Anzug.
Stifter Klaus Tschira (l., 1940 – 2015 ) und Leiter Markus Pössel (r.) des Haus der Astronomie bei der Einweihungsfeier am 16. Dezemeber 2011.

Könnte man sagen, Sie führen in diesem futuristischen Gebäude eine lang gehegte Tradition der Heidelberger Astronomen fort?

Hier auf dem Königstuhl gab es schon sehr lange die Überzeugung, dass Astronomen mit ihrer Wissenschaft auch an die Öffentlichkeit gehen müssen. Das lässt sich bis in die 1960er Jahre zu Hans Elsässer zurückverfolgen, der erst Direktor bei der Landessternwarte und später Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) war. Er hat schon vor mehr als 50 Jahren die populärwissenschaftliche Zeitschrift „Sterne und Weltraum“ gegründet. Seither gab es hier auf dem Königstuhl immer Aktivitäten wie Vorträge oder sehr erfolgreiche Tage der offenen Tür. – Als der PISA-Schock kam, hat sich Jakob Staude, der damals für die Öffentlichkeitsarbeit des MPIA zuständig und gleichzeitig Chefredakteur von Sterne und Weltraum war, überlegt, was wir dazu beitragen können, um die naturwissenschaftliche Bildung zu stärken. Er kam zu dem Schluss: Astronomische Themen interessieren Schülerinnen und Schüler so gut wie immer. Mit diesem attraktiven Thema kann fast jeder etwas anfangen.

Jakob Staude hat sich also Gedanken gemacht, wie man die spannenden Themen aus der aktuellen Forschung ins Klassenzimmer bringen kann. So entstand zum Beispiel das Projekt „Wissenschaft in die Schulen“, für das mein Kollege Olaf Fischer mithilfe eines Teams von Autoren aus Forschung und Schule zu bestimmten Artikeln aus Sterne und Weltraum Unterrichtsmaterialien erstellt. Bald wurde aber auch klar, dass wir für diese Arbeiten eigentlich mehr Räumlichkeiten benötigen. Daraufhin hatten die Direktoren des Max-Planck-Instituts für Astronomie die Idee, Herrn Tschira anzusprechen …

… So entstand das Haus der Astronomie. Was ist heute Ihre Mission?

Wir sind ein Zentrum für astronomische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, das schließt die allgemeine Öffentlichkeit und insbesondere auch Schulen und Kindergärten ein. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Wissenschaftsaustausch: Das Haus der Astronomie steht als Konferenzort für astronomische Fachtagungen zur Verfügung. Dafür ist das Gebäude auch sehr schön geeignet. Da die Büros in einem abgeschlossenen Trakt liegen, können wir den Rest des Gebäudes ganz der Tagung überlassen. Es gibt dort einen Bereich für ihre Postersitzung oder einen für das Catering. Die Plenarsitzungen finden im Planetariums-Hörsaal statt, kleine Gruppenmeetings in den Seminarräumen. Das ist schon eine schöne Tagungsatmosphäre.

Wie finanziert sich das Haus der Astronomie?

Betreiberin ist die Max-Planck-Gesellschaft, also Deutschlands größte Gesellschaft für Grundlagenforschung. Stifterin und Bauherrin des Gebäudes ist die Klaus Tschira Stiftung. Weitere Partner sind die Universität Heidelberg und die Stadt Heidelberg, die jeweils eine Personalstelle beisteuern. Und das Kultusministerium des Landes Baden-Württemberg unterstützt uns durch abgeordnete Lehrer. Inklusive der Mitarbeiter, die wir über Drittmittel finanzieren, sowie studentischer Mitarbeiter, arbeiten hier oben mehr als 20 Menschen im Bereich Outreach und Bildungsarbeit. Das ist in dieser Form schon außergewöhnlich.

Was die Arbeit mit Schulen betrifft: Kommen die Schulklassen hierher oder gehen Sie in die Schulen?

Für Workshops kommen die Schulklassen zu uns ins Haus. Umgekehrt gehen wir aber auch in die Schulen, das geschieht auf unterschiedliche Weise. Wir sind ja so etwas wie ein Entwicklungsbüro für Outreach- und Bildungsmaterialien. Mit den Lehrern als Multiplikatoren kommen wir mit unseren Unterrichtsmaterialien auch direkt in die Schulen. Auch mit unseren Lehrerfortbildungen unterstützen wir die Lehrer dabei, wie sie Astronomie am besten in ihre Schulen bringen können.

Was für ein Programm bieten sie den Schulklassen vor Ort an?

Das hängt ganz vom Alter ab. Mit Kindergartengruppen basteln wir vielleicht etwas zu den Sternbildern. Für Grundschulen können dann der Mond, die Sonne oder das Sonnensystem im Mittelpunkt stehen. Für weiterführende Schulen werden die Inhalte natürlich anspruchsvoller. Für die Mittel- und Oberstufe bieten wir zum Beispiel Workshops zum Thema „Farben und Spektren von Sternen und Nebeln“ an. Spektren sind ein zentrales Werkzeug der Astronomie, und das Konzept lässt sich ausgehend vom Begriff der Farbe gut erkunden. Ältere Schülerinnen und Schüler können bei uns auch Praktika machen. Dabei entstehen schon echte kleine Forschungsarbeiten, zum Teil werden auch Jugend-forscht-Arbeiten daraus. Was alle Altersstufen toll finden, ist unser digitales Planetarium im Klaus-Tschira-Auditorium. Dort kann man den Weltraum bei einer virtuellen Raumschiffreise sozusagen direkt erkunden.


Bild der Spirallgalaxie M51
Die Zentralregion der Spiralgalaxie M51 diente als Grundlage für den Bauplan des Heidelberger Haus der Astronomie.

Gibt es auch ein Programm für die Schulferien?

Wir bieten ein internationales Sommerpraktikum an, bei dem die Schülerinnen und Schüler meist zu zweit oder zu dritt bestimmte Aufgaben bearbeiten. Das läuft über mehrere Wochen. Dafür erreichen uns inzwischen Bewerbungen aus vieler Herren Länder. In den letzten Jahren hatten wir etwa einen Jungen aus Pakistan; aus den Vereinigten Staaten kommen relativ viele Teilnehmer, ansonsten aus Frankreich, Großbritannien, Israel oder Australien. Dass dabei viele Nationalitäten zusammentreffen, ist ein sehr schöner Zug, finde ich – Wissenschaft ist nun einmal international!

Und mit einem Projekt können Schüler sich sogar auf Asteroidenjagd begeben …

Genau. In diese Richtung ist meine Kollegin Carolin Liefke sehr aktiv. Wir verwenden Originaldaten des Pan-STARRS-I-Teleskops auf Hawaii. Der Zugang zu diesen Daten ist Teil der International Astronomical Search Campaign IASC, eines internationalen astronomischen Bildungsprogramms. In Aufnahmen, die im Abstand von 15 Minuten von demselben Himmelsareal gemacht wurden, kann man mit etwas Glück ein Objekt finden, das vor dem fixen Sternenhintergrund wandert. Diese Daten werden direkt an die Schulen geschickt, noch bevor irgendjemand anderes sie sich angesehen hat. Die Schüler könnten dann die ersten sein, die darin etwas Neues entdecken. Insgesamt haben unsere Schüler schon mehr als 250 Kandidaten für neue Asteroiden gefunden, die im Anschluss tatsächlich bestätigt werden konnten. Dazu führt Frau Liefke mit den Schülern zum Teil auch selbst Nachbeobachtungen durch. Vier der Asteroiden zählen inzwischen sogar als offizielle Entdeckung und haben vom Minor Planet Center eine Nummer erhalten.

Bisher ist das Heidelberger Haus der Astronomie einzigartig in Deutschland. Ende April wird in Garching bei München die „ESO-Supernova“ eingeweiht. Wird diese Einrichtung ähnlich aufgebaut sein?

Das ist ein ganz anderes Konzept. Dort stehen die öffentliche Ausstellung und das Planetarium im Vordergrund, und es wird feste Öffnungszeiten geben. – Wir sehen uns eher als eine Art Entwicklungswerkstatt mit Publikumsverkehr. Besuchen können Sie uns zu öffentlichen Veranstaltungen wie Vorträgen, oder aber nach Voranmeldung im Rahmen von Führungen und Workshops.

Was planen Sie für den Tag der Astronomie am Samstag?

Wir haben zu diesem Astronomietag unsere besonders treuen Besucher zu einer exklusiven Planetariumsvorführung eingeladen, wo wir die Show „Von der Erde zum Universum“ der ESO zeigen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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