NABU-Präsident pro Windenergie: „Wir sind kein reiner Vogelschutzverband mehr“

Im Interview verteidigt Jörg Andreas Krüger sein umstrittenes Papier mit den Grünen

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
10 Minuten
Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger im Porträt, im Hintergrund ein Park

Fast im Alleingang hat NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger mit der Parteispitze der Grünen ein Grundsatzpapier zugunsten eines schnelleren Ausbaus der Windenergie ausgehandelt. Das Papier markiert nach Einschätzung vieler NABU-Aktiver einen einschneidenden Kurswechsel in der Naturschutzpolitik des Verbandes, der als einer der letzten großen Naturschutzorganisationen bislang die Fahne des Vogelschutzes hochhält. Im Flugbegleiter-Interview verteidigen Krüger und der Leiter der NABU-Abteilung Vogelschutz, Lars Lachmann, das gemeinsame Papier von NABU und Grünen. Im Umgang mit dem eigenen Verband räumt der NABU-Chef Fehler ein. Sein Amt will er nicht an die Durchsetzung seiner Position knüpfen.

Wie ist das gemeinsame Papier zum beschleunigten Ausbau der Windenergie im NABU aufgenommen worden?

Jörg-Andreas Krüger: Zum Teil sehr stürmisch. Wir haben es zwar zuvor verbandsintern in einer Arbeitsgruppe mit den Landesvorsitzenden und den Mitgliedern unser Arbeitsgruppe zum Thema angekündigt und diese auch eingehend informiert. Aber das ist nicht durchgetragen worden bis in alle Ebenen des Verbandes und diese fehlende Kommunikation und Information hat zu stürmischen Reaktionen und Nachfragen geführt.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie eine klare Mehrheit innerhalb Ihres Verbandes für Ihre Position haben?

Krüger: Das ist ganz schwer zu sagen. Nach der Veröffentlichung haben sich viele Menschen mit Fragen gemeldet, zum Teil auch mit Kritik. Letztlich steht in dem Papier aber nichts anderes als das, was die Bundesvertreterversammlung schon 2017 beschlossen hat. Wir sehen aber auch, dass die Verunsicherung und Verärgerung darüber, wie Windkraftplanung in verschiedenen Regionen Deutschlands gemacht wird, sehr tief sitzt.

Gab es Austritte?

Krüger: Das mag vereinzelt so gewesen sein, aber bis jetzt ist da bei mir nichts angekommen.

Ich habe in den letzten Wochen mit zahlreichen Mitgliedern des NABU gesprochen und nach meinem Eindruck ist die Verärgerung enorm. Kritisiert wird unter anderem, dass sich der NABU als gemeinnütziger Verband an eine politische Partei angedockt habe – und das ausgerechnet an die Partei, die einem ungezügelten Ausbau der Windenergie am unkritischsten gegenüberstehe.

Krüger: Wir haben uns nicht an eine Partei angedockt. Vielmehr ist es uns gelungen, innerhalb der Grünen Bewegung zu erzeugen. Man muss ja beachten, dass wir keine NABU-Positionen preisgegeben haben. Vielmehr haben wir Spitzenvertreter einer Partei dazu gebracht, ein Arbeitspapier zu unterzeichnen, das auf von uns bereits verabschiedeten Konzepten basiert. Wir erhoffen uns davon, dass wir jetzt von den Grünen keine Angriffe auf das Artenschutzrecht mehr sehen werden. Und zum anderen, dass endlich auch Landesverbände und Landtagsfraktionen der Grünen für eine verbesserte Planung auf Landesebene eintreten.

Verstehe ich das richtig: Die Grünen wollen das Artenschutzrecht schleifen?

Eine Gruppe von Windenergieanlagen in der flachen norddeutschen Landschaft, im Vordergrund reetgedeckte Bauernhäuser.
Keine andere Form der Energieerzeugung hinterlässt so sichtbare Spuren in der Landschaft wie die Windenergie.
Eine Nahaufnahme eines Windrotors, bei der die messerscharfen Zacken an der Unterseite zu erkennen sind.
Ein Rotorblatt wartet auf die Montage.