Siegeszug von Rechtspopulisten bringt Europas Vorreiterrolle im Klima- und Naturschutz in Gefahr

Von Italien bis Skandinavien breitet sich in der EU eine aggressive Stimmung gegen Umweltpolitik aus. Auch in Deutschland ist der Backlash in vollem Gang. Kippt der Green Deal nach der Europawahl 2024?

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Ein riesiges Plakat eines ausgestreckten Mittelfingers an einem Traktor montiert.

Bei der 28. Weltklimakonferenz, bei der bis zum 12. Dezember Zehntausende Unterhändler aus aller Welt in Dubai über den Weg aus der Klimakrise beraten, will die Europäische Union einmal mehr in ihrer schon klassischen Rolle auftreten: als Vorreiterin, Antreiberin und selbsternanntes Vorbild für den Rest der Welt.

Als einen „absolut entscheidenden Moment“, bezeichnet EU-Unterhändler Wopke Hoekstra die COP28. „Deutschland und die EU setzen sich für ein klares Signal in Dubai ein“, sagt Jennifer Morgan, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt und Chefunterhändlerin Deutschlands in internationalen Klimafragen, „wir wollen konkret eine Verdreifachung der Erneuerbaren Energien, eine Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 – und ein klares Bekenntnis zum Ausstieg aus fossiler Energie.“

Zumindest dem Anschein nach hat Europa auch einiges zu bieten. Im Dezember 2019 stellte Ursula von der Leyen, die Chefin der Europäischen Kommission, mit großem Tamtam den sogenannten „Green Deal“ vor. Die Initiative hat zum Ziel, die Treibhausgasemissionen der 27 Mitgliedsstaaten bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu reduzieren und bis 2050 auf null zu bringen.

„Nature Restoration Law“ als Aushängeschild

Zum Green Deal gehörte auch das Versprechen, eine nachhaltigere Landwirtschaft, die Renaturierung großer Flächen und die Halbierung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft voranzutreiben, was auch dem Klimaschutz dienen soll. Es geht um das Großvorhaben einer umfassenden ökologischen Modernisierung, wie sie zum Beispiel US-Präsident Joe Biden mit seinem „Inflation Reduction Act“ versucht.

Seit der Einführung des Green Deal gab es durchaus Fortschritte. Laut neuen Daten der Europäischen Umweltagentur sind die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 31 Prozent gesunken. Die EU hat ein leistungsfähiges Emissionshandelssystem geschaffen, das einen Preis für CO₂ festlegt und die verfügbaren Zertifikate Jahr für Jahr reduziert. Bis 2028 soll dieses System 75 Prozent aller energiebezogenen Emissionen umfassen und garantieren, dass der CO₂-Ausstoß plangemäß sinkt. Weltweit macht die EU als einer der wichtigsten Geldgeber für den internationalen Klimaschutz von sich reden. Und für den Schutz der Biodiversität nahm am 29. November das sogenannte „Nature Restoration Law” mit einem Ja-Votum im Umweltausschuss des EU-Parlaments eine der letzten Hürden vor der endgültigen Verabschiedung. Es gilt als wegweisend, weil es eine Regeneration geschädigter Ökosysteme herbeiführen soll.

Rechtspopulisten ziehen Umweltthemen in ihren Kulturkampf

Doch ausgerechnet jetzt, wo der Green Deal in seine entscheidende Phase tritt, droht Europa die Puste auszugehen. Die wichtigste Voraussetzung, um die Ziele zu erreichen, ist politische Handlungskraft und Durchsetzungsfähigkeit in der Umweltpolitik. Genau daran fehlt es der EU zunehmend – in einer wachsenden Zahl von Mitgliedsstaaten und als Folge davon auch in Brüssel. Mehr noch, in vielen EU-Ländern ist ein regelrechter umweltpolitischer backlash in Gang, der sich zunehmend auf die Entscheidungen auf EU-Ebene auswirkt.