Breite Allianz fordert einen Nationalpark für die Vjosa in Albanien

Nur die IUCN-Kategorie könne den letzten wilden Fluss in Europa ausreichend vor Zerstörung schützen.

vom Recherche-Kollektiv Flussreporter:
10 Minuten
Flusslandschaft mit türkisfarbenem Wasser, große Schotterbänke, weiße Buchstaben auf der Wiese: Vjosa no dams

Der Eiffelturm in Paris, das Brandenburger Tor in Berlin, das Berlaymont-Gebäude in Brüssel, Sitz der Europäischen Kommission, oder die historische Universität in Tirana. Ikonische Gebäude an markanten Plätzen. „Es ist unvorstellbar, diese Monumente in Europas Hauptstädten zu zerstören. Warum sollten wir eine andere Einstellung gegenüber unserem unberührten Fluss haben, der seit tausenden Jahren Teil unserer Geschichte ist?“ fragte Olsi Nika, Geschäftsführer der Umweltorganisation EcoAlbania, am Montag den 22. März, dem Weltwassertag, bei einer Pressekonferenz zum Schutz der Vjosa.

Die Vjosa ist nach dem Drin der zweitlängste Fluss Albaniens und weitgehend naturbelassen. Sie entspringt als Aoos im Pindos-Gebirge in Griechenland, fließt durch enge Schluchten, bildet im Mittelteil bis zu zwei Kilometer breite Schotterbänke und mündet nach 272 Kilometern in die Adria. Der türkisfarbene Fluss ist beeindruckend und einzigartig in Europa. Nur der Tagliamento im italienischen Friaul bildet vergleichbare Landschaften, allerdings nicht so unberührt wie die Vjosa. Seit Jahren kämpfen Naturschutzorganisationen aus Albanien und anderen Ländern sowie die lokale Bevölkerung deshalb gegen den Bau von Wasserkraftwerken an der Vjosa. Im Gleichklang mit mehr als 700 Wissenschaftlerïnnen, Europaparlamentarierïnnen, Hollywood-Schauspielern und Trägern des Right Livelihood Award fordern sie, die Vjosa zu einem Wildfluss-Nationalpark zu machen – dem ersten in Europa. Als deutliches Zeichen dafür wurden auf den Plätzen vor den berühmten Monumenten in Berlin, Brüssel, Paris und Tirana vergangene Woche fünf Meter große Buchstaben aus Stoff aufgelegt, die alle die gleiche Forderung zeigen: VJOSA NATIONAL PARK NOW.

Brandenburger Tor in Berlin, davor auf dem Platz große weiße Buchstaben: Vjosa national park now
Forderung nach einem Nationalpark für die Vjosa vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
Großer weißer Schriftzug vor großem EU-Gebäude in Brüssel.
Der Schriftzug „Vjosa national park now“ vor dem Berlaymont-Gebäude in Brüssel, dem Sitz der Europäischen Kommission.
Weißer Schriftzug auf einem roten Platz, dahinter dem Eiffelturm, blauer Himmel mit Wolken
Die Vjosa muss genauso schützenswert sein wie der Eiffelturm in Paris und andere Wahrzeichen der europäischen Hauptstädte, sagen die Naturschützer.
Weißer Schriftzug auf buntem Platz vor der Universität
In Albanien, hier die Universität, befürwortet der Großteil der Bevölkerung die Idee eines Nationalparks für die Vjosa.
Screenshot von Instagram mit Foto der Vjosa
Leonardo di Caprio unterstützte die Forderung nach einem Vjosa-Nationalpark auf Instagram.
Tweet mit Foto der Vjosa
Screenshot des Tweets des Schauspielers Edward Norton zum Vjosa-Nationalpark.
Facebook Posting von Ilir Meta
Der albanische Präsident Ilir Meta zeigt gerne seine Unterstützung für den Schutz der Vjosa, hier bei der Aktion „Vjosa National Park Now“ vor dem Weltwassertag. Screenshot seines Facebook-Postings.
Mann mit Vollbart, Hut und Fernglas in Landschaft mit Wasser
Michael Succow, Träger des Right Livelihood Award 1997, unterstützt den Schutz der Vjosa.

Unterstützung durch Right Livelihood Award Preisträger

Solidarität zeigten auch zehn Preisträger des Right Livelihood Award (dem sogenannten Alternativen Nobelpreis) mit ihrem offenen Brief vom 17. März 2021, in dem sie den albanischen Premierminister Edi Rama, Umweltminister Blendi Klosi, Präsident Ilir Meta sowie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die EU-Kommissare Virginijus Sinkevičius (Umwelt) und Olivér Várhelyi (Nachbarschaft und Erweiterung) zur Rettung der Vjosa in Albanien aufrufen. Die Initiative dazu kam vom deutschen Naturschützer Michael Succow, der den „Alternativen Nobelpreis“ 1997 erhalten hat.

Er habe die Vjosa leider noch nicht persönlich besuchen können, sagt der 79Jährige im Gespräch mit Flussreporter, weil er sich mit seiner Succow-Stiftung auf Projekte in Deutschland, Osteuropa, Zentralasien und Äthopien konzentriert habe. Durch Ulrich Eichelmann von RiverWatch habe er erfahren, dass die Vjosa als einzigartiger Fluss in Europa gefährdet sei, deshalb engagiere er sich. Ihm ist dabei nicht nur der Schutz des Flusses selbst wichtig, sondern auch der Schutz der dort lebenden traditionell wirtschaftenden Bevölkerung. „Ich bin eigentlich ein Menschenschützer“, sagt Michael Succow, „denn ich möchte erreichen, dass wir zukunftsfähig, enkeltauglich werden.“ Das bedeutet für ihn, traditionelle Ethnien und Kulturen in ihren Landschaften zu schützen, die die Natur und ihre Leistungen nutzen, aber nicht übernutzen.

In den Dörfern an der Vjosa in Albanien hat diese Beziehung immer noch Tradition, die sich zum Beispiel im iso-polyphonen Gesang (einem UNESCO Weltkulturerbe) über den Fluss ausdrückt oder darin, dass manches Mädchen den Vornamen „Vjosa“ erhält.

Einen Eindruck von der Schönheit der Vjosa und dem Engagement der lokalen Bevölkerung vermittelt der aktuelle Kurzfilm „Vjosa Forever | Protect Europe’s Wild Rivers“.