Um Scheitern zu verhindern: Extrarunde für Verhandlungen zu Weltnaturabkommen

In einem Brief an die Unterhändler aus über 190 Vertragsstaaten räumen die Vorsitzenden der Verhandlungen für das neue Weltnaturabkommen mangelnde Fortschritte ein. Eine Extra-Verhandlungsrunde im Juni soll ein Scheitern verhindern.

vom Recherche-Kollektiv Countdown Natur:
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Wald nach einem Brand. Im Vordergrund schwarze Äste, über der Landschaft liegt Rauch, im Hintergrund wenige Bäume, die noch stehen. Ein Anblick der Naturzerstörung.

Das Ringen um ein neues Weltnaturabkommen geht in die Verlängerung: Um ein Scheitern der Verhandlungen für ein globales Rahmenabkommen zum Schutz der Natur auf dem bevorstehenden Weltbiodiversitätsgipfel zu verhindern, sollen die Vertreter von mehr als 190 Staaten im Juni zu einer Sonder-Verhandlungsrunde in Kanada zusammenkommen. Das sieht ein Vorschlag der beiden Ko-Vorsitzenden der derzeit laufenden Vorverhandlungen, Francis Ogwal und Basil van Havre vor, der RiffReporter vorliegt.

Darin räumen sie ein, dass es den Unterhändlern der Staatengemeinschaft trotz des zweijährigen Verzugs bislang nicht gelungen ist, sich auf die Grundzüge eines globalen Rahmenwerkes für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Natur auf der Erde in den kommenden zehn Jahren zu verständigen. Als Gipfeltermin legen sich beide in dem Schreiben an die Teilnehmerdelegationen der gerade in Genf stattfindenden Vorverhandlungen auf die Zeit vom 29. August bis zum 10. September fest.

Der Name Kunming wird nicht erwähnt

Ob der bereits zweimal verschobene Gipfel dann auch wie geplant in der chinesischen Stadt Kunming ausgerichtet werden soll, lassen die Vorsitzenden allerdings offen. Der Konferenzort Kunming wird in dem Brief nicht erwähnt.

Trotz der erzielten Fortschritte müssen noch zahlreiche Fragen geklärt werden, damit der globale Biodiversitätsrahmen für die Zeit nach 2020 auf der CoP15 erfolgreich verabschiedet werden kann.

Die Ko-Vorsitzenden Francis Ogwal und Basil van Havre

„Trotz der erzielten Fortschritte müssen noch zahlreiche Fragen geklärt werden, damit der globale Biodiversitätsrahmen für die Zeit nach 2020 auf der CoP15 erfolgreich verabschiedet werden kann“, schreiben van Havre und Ogwal unter Bezug auf die im UN-Jargon als Conference of the Parties bezeichnete Vertragsstaatenkonferenz zur Konvention über biologische Vielfalt (CBD COP15) in dem Brief an die Delegationen.

Extra-Verhandlungen in Nairobi sollen „sauberen“ Vertragstext bringen

In den zwei Wochen der Genfer Verhandlungen habe es nicht ausreichend Zeit gegeben, um die Inhalte des Rahmenabkommens zu verhandeln und einen Text zu beschließen, heißt es weiter. Auch hätten nicht alle von den Vertragsparteien vorgelegten Änderungswünsche behandelt werden können.

Um beim Gipfel dennoch einen konkreten und „sauberen“ Text vorlegen zu können, berufen Ogwal und van Havre eine „bis zu sechstägige“ Sonder-Verhandlungsrunde Ende Juni im kenianischen Nairobi ein, dem Sitz des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. „Dieses Treffen bietet die Gelegenheit, die verbleibenden Abschnitte des globalen Biodiversitätsrahmens für die Zeit nach 2020 zu behandeln und einen sauberen Text zu entwickeln, der auf der COP 15 erörtert werden kann.“

Das Sekretariat der CBD will im Laufe des Tages grünes Licht für den Vorschlag geben. Formell abgestimmt werden soll darüber zum Ende der seit zwei Wochen laufenden Verhandlungen am Dienstag.

Die zweiwöchigen Verhandlungen in Genf waren nach übereinstimmenden Angaben aus Regierungsdelegationen und von nichtstaatlichen Beobachtern vor allem der Streit über die Finanzierung der weltweiten Maßnahmen zum Schutz der Natur festgefahren. Umweltverbände hatten deshalb Alarm geschlagen und unter anderem von der Bundesregierung eine deutliche Erhöhung ihrer Finanzzusagen gefordert.

„Paris-Abkommen für die Natur“ – Um nicht weniger geht es

Das neue Biodiversitätsabkommen soll als eine Art „Paris-Abkommen für die Natur“ den Schutz der Arten und Ökosysteme ebenso regeln wie die nachhaltige Nutzung der Natur und ihrer Ressourcen.

Es löst den „Strategischen Plan für Biodiversität 2011–2020“, ab der 2010 im japanischen Nagoya beschlossen wurde und dessen Ziele verfehlt wurden. Das Scheitern hat die Arten- und Ökosystemkrise weiter verschärft und das Vertrauen in die Fähigkeit der internationalen Politik erschüttert, die natürlichen Lebensgrundlagen auf der Erde wirksam schützen zu können.

Vor allem die noch sehr artenreichen südlichen Regionen der Erde bestehen darauf, für den Verzicht auf eine weitere Ausbeutung beispielsweise des Amazonas-Regenwaldes entschädigt zu werden. Während auch die reichen Staaten im Prinzip zustimmen, dass es eine Kompensation geben muss, verweisen sie aber auch darauf, dass es sich bei den verbliebenen halbwegs intakten Ökosystemen der Erde um „globale Güter“ handelt, deren Schutz allen zugutekommt und daher auch in der Eigenverantwortung der Anrainerländer liegt.

Der jährliche Finanzbedarf wird auf 700 Milliarden Dollar geschätzt (mehr zum Geldbedarf für den globalen Naturschutz). Dem steht eine bisherige Finanzierung von weniger als 140 Milliarden gegenüber.

Francis Ogwal und Basile van Havre hinter einem Podium mit einem Konferenzhammer in der Hand
Die beiden Vorsitzenden der Arbeitsgruppe für den Entwurf eines neuen Weltnaturabkommens, Francis Ogwal und Basile van Havre, schlagen eine Extra-Verhandlungsrunde vor, um ein Scheitern abzuwenden.

Ursprünglich sollte das neue Abkommen bereits im Oktober 2020 verabschiedet werden sollen. Der Gipfel-Termin wurde wegen der Corona-Pandemie aber mehrfach verschoben. Zuletzt wuchs der Druck auf China, den Gipfel notfalls an einem anderen Ort auszurichten. China fährt eine strikte No-Covid-Strategie, was die Austragung großer Treffen erschwert.

Hinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert, nachdem der Ort der neuen Verhandlungen von Ottawa nach Nairobi verlegt wurde.

Diese Recherche wurde von der Hering-Stiftung Natur und Mensch gefördert.

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