Kochen für die Meisen

Futterknödel und Fettglocken herzustellen ist gar nicht schwierig – wenn man ein paar kleine Fallen umschifft

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
10 Minuten
Eine Blaumeise sitzt auf eine Futterglocke, einem kleinen roten Blumentopf, der an einem Faden hängt und mit einer Mischung aus Fett und Körnern gefüllt ist.

„Rindertalg? Nee, haben wir nicht.“ – Die wichtigste Zutat für meine Meisenknödel zu bekommen, ist gar nicht so einfach, wie ich dachte. Und wie fast alle Rezepte nahelegen. In den vergangenen Wochen habe ich viele Anleitungen zum Selbermachen von Vogelfutter studiert, im Internet ebenso wie in Fachbüchern. Denn ich hatte Lust, das mal auszuprobieren, und hatte die Hoffnung, ein paar Vogelarten anzulocken, die das Angebot im Futterhäuschen bislang zu fad finden. Fast alle Anleitungen listen Rindertalg als Zutat auf, so selbstverständlich, als könne man dieses Fett an der nächsten Ecke kaufen.

Kann man aber nicht. Zwei Metzger, die ich frage, zucken mit den Schultern. „Weil wir nicht selbst schlachten, kommen wir da nicht dran.“ Erst beim Biometzger meines Vertrauens erhalte ich das Gewünschte, muss es aber auch dort bestellen. Eigentlich hätte ich direkt bei ihm fragen sollen. Schließlich will ich den Vögeln etwas Gutes tun, und „gut“ heißt eben auch, dass die Zutaten – wenn es schon tierische sein müssen – von Tieren aus schonender und artgerechter Haltung stammen.

Rindertalg ist nicht gerade billig

„Es ist ein bisschen mehr geworden“, sagt die Metzgerin, als ich das Fett abhole. „Egal“, sage ich mit Großzügigkeit in der Stimme, „die Meisen werden sich freuen“. Als ich den Preis auf der Waage sehe, muss ich aber doch kurz schlucken. Fast neun Euro kostet das Kilo. „Ich dachte, das sei mehr oder weniger Abfall.“ – „Das kommt sonst in die Wurst“, entgegnet die Metzgerin, „wir verarbeiten das komplette Tier.“ Das ist ja positiv. Und ich hätte eigentlich selbst darauf kommen können. Egal. Die Meisen sind es mir wert. Körner für die Vogelmischung – reine Sonnenblumenkerne – hole ich in der Drogerie. Es kann losgehen.

Auf einem Küchenbrett liegt ein weißes Stück Rindertalg. Eine Glasschüssel enthält Sonnenblumenkerne, Haferflocken und Hirsekörner.
Körner und Rindertalg sind die Zutaten für Meisenknödel und Futterglocken – am besten in Bioqualität..

Ich schneide den Rindertalg in gulaschgroße Stücke. Die Fleischreste lasse ich dran, denn beim Flugbegleiter-Kollegen Thomas Krumenacker war zu lesen, dass zum Beispiel Kohlmeisen nicht gerade zimperlich bei der Futterwahl sind und bei Gelegenheit auch schon mal eine Fledermaus auseinandernehmen. Außerdem schrumpeln die paar Fasern beim Auslassen zu winzigen Mengen zusammen. Den Topf mache ich ein sanftes Feuer unterm Hintern, denn ich hatte gelesen, dass das Fett nicht über den Schmelzpunkt hinaus erhitzt werden soll, weil es sonst schrecklich stinkt. Bald aber merke ich: Das ist Quatsch, denn das Fett muss ja schmelzen, damit man es verarbeiten kann. Nur rauchen sollte es nicht, denn dann verbrennt es ja. So aber riecht es gar nicht so unangenehm.

Lektion gelernt: Keine Angst vor ein bisschen Hitze

Das Schmelzen dauert ewig. Schon bald fische ich die Talgstücke wieder aus dem Topf und schneide sie in winzige Würfel in der Hoffnung, dass die Prozedur dann schneller geht. Nach mehr als zweieinhalb Stunden brutzeln endlich nur noch kleine Fettstückchen In einer goldgelben Suppe. Ich hoffe, dass die Meisen auch Grieben mögen und stelle den Herd ab.

Rindertalg wird nicht ohne Grund in vielen Futterrezepten empfohlen: Weil es besonders viel Energie enthält, können die Vögeln damit schnell ihren Kalorienbedarf decken. Ich kenne aber auch Leute, die gebrauchtes Frittierfett für Meisenknödel verwenden – auch das wird bei etwa 10 Grad Celsius fest genug, um die Form zu halten. Was natürlich im Frühjahr noch wichtiger ist als im Winter bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, wie ich auch noch merken werde.

Als das Fett handwarm ist, mische ich meine Körner darunter: 800 Gramm bei der gleichen Menge Talg. Zu den Sonnenblumenkernen kommen zwei Handvoll Haferflocken und etwas Hirse. Die hatte ich schon einmal testweise in dem Futterhäuschen angeboten, das schon länger in unserem Garten steht, sie fand aber wenig Anklang. Erst in Kombination mit Sonnenblumenkernen nahmen die Vögel ein bisschen davon mit. Mal sehen, wie es bei den Knödeln wird. Den Topf mit der fertigen Mischung stelle ich auf den Balkon zum Abkühlen.

Ein Topf mit Rindertalgwürfeln, denen eine Schuss Speiseöl zugefügt wird.
Ein Schuss Speiseöl sorgt dafür, dass die Knödelmasse später nach dem Abkühlen leichter formbar bleibt.
Ein Topf, in dem Rindertalgwürfel zu schmilzen beginnen.
Auf mittlerer Hitze schmilzen die Rindertalgwürfel langsam.
Ein Topf mit einer goldgelben Flüssigkeit, in der kleine braune Würfelchen schwimmen.
Das Fett ist zu einer goldgelben Flüssigkeit geworden. Die Würfel sind zu Grieben zusammengeschrumpelt.
Körner werden in den Topf mit dem ausgelassenen Fett geschüttet.
Wenn das Fett etwas abgekühlt ist, kommen die Körner hinzu. Der Großteil sollten Sonnenblumenkerne sein.
Ein Holzlöffel steckt in einem Gemisch aus Fett und Körnern.
Gründlich umrühren – fertig. Ehe sich daraus Knödel formen oder Blumentöpfe füllen lassen, muss sie lange abkühlen.

Meisenknödel-Varianten

Zu meinem Meisenknödel-DIY-Projekt gehört auch, verschiedene Behälter für die Futtermischung auszuprobieren. Für Variante 1 spüle ich zwei kleine Ton-Blumentöpfe aus, hole Zweige aus dem Garten und Kordel aus dem Schrank. Zwei Zweige schneide ich so zurecht, dass sie etwa zehn Zentimeter länger sind als die Töpfchen. Ich habe extra zwei gegabelte ausgesucht, damit die Vögel beim Aufpicken der Nahrung guten Halt finden. Für Variante 2 nehme ich ein gelbes Plastiknetz, das vorher Kartoffeln enthielt, und spüle die Erde davon ab. In das Netz will ich drei Meisenknödel einknoten. Für die letzte Variante befestige ich ein Stück Kordel in der Mitte eines etwa zehn Zentimeter langen Zweigs. Rund um den Knoten werde ich ebenfalls Knödelmasse schichten, gerade so viel, dass an den Zweigstücken rechts und links genug Platz zum Hinsetzen bleibt. Bis ich ans Werk gehen kann, muss die Fettmischung allerdings erst so weit abkühlen, dass ich sie formen kann. Das dauert einige Stunden, selbst dann, wenn man sie in den Kühlschrank legt.

Auf dem Tisch liegen kleine Blumentöpfe. Durch die Löcher in ihrem Boden sind Bindfäden gezogen, an die Äste gebunden sind.
Auf den Stöckchen können sich die Vögel niederlassen, um das Futter aus den Glocken zu picken. Wenn sie für die Löcher im Boden der Blumentöpfe zu dünn sind, kann man ein Querstöckchen dranbinden. Fäden zum Aufhängen nicht vergessen.

Lange Zeit war es ja umstritten, ob man den Vögeln nur im Winter Futter anbieten soll oder das ganze Jahr über. Ob wir sie nicht zu sehr abhängig machen von der Futterlieferungen. Mittlerweile halten immer mehr Vogelexperten diese Sorgen für unbegründet. Sie empfehlen vielmehr, gerade jetzt, also im beginnenden Frühling, besonders reichlich und kontinuierlich zu füttern: Denn während der Vorrat an Samen und Früchten aus dem Vorjahr bereits vertilgt ist, sind noch nicht genügend Insekten aus der Winterpause erwacht. Dabei benötigen die Vögel gerade in diesen Wochen viel Energie: Sie beginnen, um Geschlechtspartner zu werben; bei den Weibchen wachsen die Eierstöcke wieder, die sich nach der Brutsaison aus Gewichtsersparnis zurückgebildet hatten. Auch die Insektenjagd für den Nachwuchs zehrt an den Kräften. Da ist schnelle Energiezufuhr hilfreich.

Eine britische Studie hat gezeigt, dass die Vögel zu dieser Jahreszeit am meisten an künstlichen Futterstellen fressen, mehr sogar als mitten im Winter. So steht es in dem Buch „Vögel füttern im Garten“ von Anita und Norbert Schäffer. Dieses Buch kann ich wirklich empfehlen – mehr noch als den Klassiker „Vögel füttern, aber richtig“ von Peter Berthold: Es ist im Ton sachlicher und unaufgeregter, und es informiert zudem ausführlicher über wissenschaftliche Studien zum Thema Vogelfütterung.

Auch im Frühling füttern – auch im Winter Wasser anbieten

Die Schäffers empfehlen, nicht nur das Futterhäuschen, sondern auch die Vogeltränke regelmäßig aufzufüllen – auch und gerade bei Frost. Denn wenn alles gefroren ist, finden die Vögel keine Tautropfen oder Regenpfützen zum Trinken. Flugbegleiterin Johanna Romberg erzählt mir, dass sie jeden Tag erlebt, wie sich ihre Gartengäste förmlich auf den Blumentopfuntersetzer stürzen, den sie täglich auffüllt. Sie sieht die Vögel sogar darin baden, auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Weil das Wasser in dem Untersetzer natürlich gefriert, stellt sie bei stärkerem Frost zwei Schalen abwechselnd nach draußen, sodass eine jeweils auftauen kann.

Auf einem Teller liegen zwei gefüllte Glocken und ein Meisenknödel.
Die Glocken sind fertig gefüllt. Nochmal richtig fest werden lassen!

Mittlerweile hat sich die Fett-Körner-Masse so weit verfestigt, dass ich ans Formen und Einfüllen gehen kann. Zunächst versuche ich das mit bloßen Händen, aber das erweist sich als extrem schmierige Angelegenheit. Und die Schmiere ist auch noch hartnäckig, wie ich später beim Waschen merke: Rindertalg haftet so gut auf der Haut, dass sogar konzentriertes Seifenwasser einfach daran abperlt.

Meine Tagesproduktion – etwa 1600 Gramm – reicht für zwei Futterglocken und zehn Meisenknödel. Es zeigt sich allerdings, dass ich entweder zu großzügig mit den Körnern war oder zu ungeduldig beim Abkühlen: Die Knödel sind sehr locker geraten; von der Sitzstange gleiten sie gleich wieder ab. Nur im Kartoffelnetz halten sie, und auch in den Glocken – vorerst. Als ich diese auf dem Balkon an einen alten Besenstiel binde, klatscht mir der Inhalt der kleineren Glocke vor die Füße. Ich drücke den Brei fester hinein und lege sie eine Weile in den Kühlschrank, damit das Fett besser aushärtet. Vor dem zweiten Anlauf ziehe ich Gummihandschuhe an.

Ein Blumentopf ist mit einer Mischung aus Fett und Körnern gefüllt.
Die Masse wird in die Blumentöpfe gelöffelt und festgedrückt. Dabei Handschuhe zu tragen ist eine gute Idee. Rindertalg ist eine unglaublich schmierige Angelegenheit. Und damit das Fett-Körner-Gemisch auch ordentlich hart wird, sollte man es ein paar Stunden in den Kühlschrank legen.

Eigentlich hatte ich vorgehabt, den Meisenimbiss so aufzuhängen, dass ich ihn gut vom Schlafzimmerfenster aus beobachten kann. Doch ich fürchte, der Inhalt könnte einem Nachbarn im Garten auf den Kopf fallen. Darum baumelt das Futter jetzt über einem kaum frequentierten Teil des Gartens – leider außer Sicht.

Der Andrang hält sich in Grenzen

In der Woche danach schaue ich immer wieder mal nach, ob die Masse noch in den Glocken steckt – zum Glück ja – und wie Knödel und Glocken so angenommen werden. Der Andrang hält sich sehr in Grenzen. Das Fett in den Glocken wird kaum weniger. Einmal sehe ich eine Blaumeise, die sich dieses seltsame Windspiel genauer anschaut, aber meist baumeln die drei Futterangebote für sich allein. Allerdings wird auch das Futterhäuschen in diesen Tagen wenig frequentiert – vielleicht ist gerade einfach kein besonderer Bedarf. Vielleicht ist auch einfach so viel Leben hinter der Balkontür, dass die Vögel sich verschreckt fühlen. Oder verschmähen sie doch die Hirse? Denn die war schon im Futterhäuschen nicht gerade der Renner. Und dann erinnere ich mich an noch etwas, dass Johanna Romberg mir zu Geduld geraten hat: Es könne einige Wochen dauern, ehe Vögel eine neue Futterstelle nicht nur entdecken, sondern auch annehmen. Ich werde das weiter im Auge behalten.

Ein altes Kartoffelnetz hält Meisenknödel. Im Hintergrund ein Garten.
Es ist angerichtet. Ausbeute: Zwei Futterglocken und zehn Meisenknödel – die Reserve lagert im Kühlschrank. Jetzt müssen nur noch die Vögel kommen.

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Nach ein paar Wochen stelle ich fest, dass Johanna recht hatte: Kohl- und Blaumeisen sind regelmäßige Gäste am Futterhäuschen. Auch die Amseln und Rotkehlchen versorgen sich dort mit Körnern, einmal sehe ich die rote Haube eines Spechts aufblitzen, ehe er vor mir die Flucht ergreift. Auch Spatzen und ein Kleiber kommen ab und zu vorbei, ja sogar ganze Trupps leuchtend grüner Halsbandsittiche, die hier im Rheinland heimisch sind. Auch die Hirse hat die gefiederten Gäste nicht von den Fett-Angeboten abgeschreckt.

Zuletzt habe ich eine Körnermischung gekauft, die weniger Sonnenblumenkerne enthält. Ich gucke in unregelmäßigen Abständen, ob ich schon mal wieder nachlegen muss, und dabei fällt mir auf, dass die Sonnenblumenkerne immer ziemlich schnell weg sind, während der Rest – Weizen, Erdnüsse, – lange im Häuschen liegen, ehe sich jemand ihrer erbarmt.

Zu Weihnachten habe ich mehr als 20 kleine Futterglocken hergestellt – bunt mit Akrylfarbe bemalt zum Verschenken. Die Rindertalgmethode hat wieder gut geklappt. Ich hätte den Topf mit dem Fett-Körner-Gemisch allerdings weniger lange auf dem Balkon auskühlen lassen sollen. Denn die Masse war steinhart. Zum Glück war der Backofen von den Stollen noch heiß – so hielt sich die Energieverschwendung in Grenzen.

Ein Blumentopf bemalt mit einem Rotkehlchen.
Rotkehlchen-Glocke als Weihnachtsgeschenk für die Rotkehlchen …
Blumentopf bemalt mit einer Blaumeise.
… und die Blaumeisen.
Ein Topf mit halb geschmolzenem Kokosfett neben einer Schale mit Körnermischung.
Kokosfett ist viel einfacher zu verarbeiten als Rindertalg. Für den Sommer aber ist es nicht geeignet. Es schmilzt schon bei 27 Grad.
Ein Blumentopf gefüllt mit einer Mischung aus Kokosfett und Körnern.
Man sieht keinen großen Unterschied zwischen Kokosfett und Rindertalg – zumindest bei winterlichen Temperaturen.

Allerdings wollte ich auch mal ein anderes Fett ausprobieren. Meine Wahl fiel auf Kokosfett, davon hatte ich mal eine größere Menge geschenkt bekommen. Das Positive daran: Kokosfett brauche ich kaum zu erhitzen, schon ist es flüssig. Dadurch lässt es sich viel einfacher verarbeiten. Und bei den winterlichen Temperaturen wird es auch ordentlich fest. Im Sommer würde ich mich aber nicht trauen, es zu verwenden. Denn das Zeug schmilzt schon bei 27 Grad. Das kann nur eine Sauerei werden. Der Geruch ist übrigens genauso penetrant wie der von Rindertalg und nur unwesentlich angenehmer.

Die Vögel sind offenbar auch skeptisch: Die Glocke und die Knödel aus Kokos-Körner-Gemisch haben sie bis heute kaum angerührt.

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Rezept Fett-Körner-Masse, für etwa eine Futterglocke

  • 150 Gramm Rindertalg, Bioqualität, am besten durch den Wolf gedreht. Alternativ geht auch pflanzliches Fett, das bei ca. 10 Grad fest wird.
  • Bei mittlerer Hitze auslassen (schmelzen). Der Topf sollte so groß sein, dass er das Fett und die Körner aufnimmt und man die Mischung dennoch gut umrühren kann, ohne dass alles über Bord geht.
  • Etwas abkühlen lassen.
  • 150 Körnermischung, Hauptanteil Sonnenblumenkerne, unterrühren. Je mehr Körner man benutzt, desto lockerer werden die Knödel.
  • Wenn die Mischung wieder so fest geworden ist, dass sie sich formen lässt, in Blumentöpfe oder andere Behälter füllen, die man an einem Faden aufhängen kann. Wichtig: Die Vögel benötigen etwas zum Festhalten, darum zum Beispiel einen Zweig in die Masse stecken. Wenn sie fest genug ist, kann sie auch einfach um einen Zweig herum formen. Oder einen dekorativen Meisenknödelhalter aus Metall benutzen, den es im Fachhandel zu kaufen gibt.

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Update 7. Januar 2020: Die neuste Fassung dieses Artikels enthält jetzt Erfahrungen, wie die Vögel die Glocken annehmen, und mit Kokosfett.

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