Das Recht zu Atmen

Warum ein Urteil gegen Luftverschmutzung in Südafrikas Kohlerevier wegweisend ist.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
6 Minuten
Hinter einer Siedlung kleiner Häuser sieht man ein Kohlekraftwerk am Horizont, das toxische Abgase in die Luft bläst.

Direkt hinter den kleinen, überwiegend aus Wellblech gebauten Häusern türmen sich Kohlehalden wie Berge auf. Tag und Nacht liegt der graue Schleier aus benachbarten Kohlekraftwerken über der Nachbarschaft. Auch Raffinerien blasen hier giftige Abgase in die Luft. Für die rund vier Millionen Menschen, die im Mpumalanga Highveld leben, dem Kohlerevier im Osten Südafrikas, ist jeder Atemzug eine Tortur. Mütter berichten von Kleinkindern, die von asthmatischen Hustenabfällen geschüttelt werden und von Familienangehörigen, die an Lungenkrankheiten verstorben sind. Schuld sei die „tödliche Luft“, beklagen sie seit vielen Jahren.

„Die Menschen sterben langsam und leiden jeden Tag unter der Luftverschmutzung, die uns umgibt“, sagt Promise Mabilo. Sie lebt seit über zwei Jahrzehnten in unmittelbarer Nachbarschaft eines dieser Kohlekraftwerke, ihr Sohn ist schwer asthmakrank. Es falle ihr schwer zu sehen, dass er deswegen keine normale, unbeschwerte Kindheit habe. Vielen anderen in der Nachbarschaft gehe es ebenso. „Ich fühle mich missbraucht und verletzt, weil ich die Ursache kenne“, so Mabilo. Sie ist Aktivistin der Vukani Environmental Justice Movement in Action.

Nach jahrelangen erfolglosen Versuchen, die Regierung zum Handeln zu bewegen, war ihre Organisation gemeinsam mit Aktivisten von groundWork 2019 gegen ihre Regierung vor Gericht gezogen. Der Fall machte in Südafrika als „Deadly Air“-Prozess Schlagzeilen. Auf Umweltrecht spezialisierte Anwälte vom Centre for Environmental Rights vertraten die Kläger, der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt trat als sachverständiger Beistand auf.

„Everyone has the right to an environment which is not harmful to their health or well-being.” Artikel 24 der südafrikanischen Verfassung

Der Jubel war groß, als am 18. März das Urteil gesprochen wurde. Die massive Luftverschmutzung verstößt demnach gegen Artikel 24(a) der südafrikanischen Verfassung, der das Recht auf eine Umwelt garantiert, die weder der Gesundheit noch dem Wohlbefinden schadet. Die Umweltministerin wurde aufgefordert, endlich Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung zu ergreifen, die Verursacher der Emissionen zur Rechenschaft zu ziehen und die gesetzlichen Regelungen auch umzusetzen. Das Urteil ist in vielerlei Hinsicht wegweisend – und das nicht nur für Südafrika.

Eine Frau geht auf einer Straße entlang und hält sich die Hand vor den Mund. Staub liegt in der Luft, dahinter sieht man ein Kohlebergwerk.
Staub und Emissionen machen Anwohner im Kohlerevier krank
Hinter kleinen Wellblechhütten türmen sich Kohlehalden wie Berge auf
Alltag im Schatten des Kohlebergbaus