Sterbehilfe: Revolution mit einem Finger

Ana Estrada hat als erster Mensch in Peru das Recht auf selbstbestimmtes Sterben erstritten – gerade weil sie ihr Leben so liebt. Ein Protokoll ihres Kampfs um Freiheit.

9 Minuten
Frau mit kurzem schwarzen Haar sitzt in Rollstuhl. Auf dem linken Arm ist eine Blume tätowiert. Sie hat um den Hals eine Plastikkrause mit einem Loch, von dem ein dünner Schlauch wegführt.

Auf ihren großen Tag hat sich Ana Estrada lange vorbereitet. Sie hat zuerst im Kopf ihre Rede ausgearbeitet und dann mit dem rechten Zeigefinger in ihr Tablet getippt, dem einzigen Finger, den sie noch bewegen kann. Ihre Assistentin Zulma hat das Beatmungsgerät abgeschaltet, dann die Kanüle immer wieder aus Ana Estradas Luftröhre geholt und den Schleim abgesaugt. Dann hat sie eine neue Kanüle eingesetzt und sie mit einem Stöpsel verschlossen. Für rund zehn Minuten kann Ana Estrada jetzt unter großen Anstrengungen reden. Dann muss ihre Luftröhre wieder abgesaugt werden.

Es ist der 7. Januar 2021. Vor einer Fernseh-Kamera und mit ihrem Tablet auf dem Bett erklärt Ana Estrada per Videoanruf dem Richter und ihrer Fangemeinde in den sozialen Netzwerken, warum sie selber bestimmen will, wann und wie ihr Leben zu Ende gehen soll.

„Ich bin Ana Estrada, bin 44 Jahre alt. Mit zwölf Jahren bekam ich die Diagnose Polymyositis, eine progressive irreversible Muskelkrankheit“, beginnt sie ihre Rede vor dem Landesverfassungsgericht (11. Juzgado Constitucional de la Corte Superior de Justicia de Lima) mit krächzender Stimme.

Eine rund 40-jährige Frau, kurze dunkle Haare, Lippen mit rotem Lippenstif nachgezogen, mit einem weissen Träger-T-Shirt bekleidet und mit Tätowierungen an den Oberarmen, blickt in die Kamera. Die Frau sitzt im Rollstuhl. An ihrer Kehle ist ein Plastikstöpsel, der den Luftröhrenzugang bedeckt.
Ana Estrada sitzt seit 24 Jahren im Rollstuhl. Ihre Muskelkrankheit ist fortschreitend und nicht heilbar. Heute kann sie nur mehr ein paar Stunden täglich im Rollstuhl sitzen und muss die übrige Zeit liegen.
Gesicht einer Frau mit kurzen dunklen Haaren und geschlossenen Augen, nach oben gestreckt. Dunkler Hintergrund
Ana Estrada geniesst die Luft auf ihrem Gesicht. Sie kann nur ein paar Stunden täglich im Rollstuhl sitzen, die meiste Zeit muss sie liegen.
Auf einem Doppelbett liegt rechts, mit dem nackten Oberkörper nach oben, eine lachende Frau mit kurzen braunen Haaren und Tätowierungen auf den Armen. Links liegt auf dem Bauch eine Frau in einem weissen Kittel. Man sieht nur den Rücken und den Hinterkopf.
Ana Estrada und ihre Pflegerin Zulma kugeln sich vor Lachen auf Anas Bett.
Eine hellhäutige, rund 40-jährige Frau mit kurzen braunen Haaren und Tätowierungen an den Armen sitzt mit nacktem Oberkörper in einem Rollstuhl und blickt in die Kamera.
Mit Aktfotos erobert Ana Estrada sich ihren eigenen, durch medizinische Eingriffe zerschundenen Körper zurück, schreibt sie in ihrem Blog.