Asowstal: Das Stahlwerk in Mariupol wird zum Symbol des Ukraine-Kriegs

Unser Autor kennt das einstige Vorzeigeprojekt der Sowjetunion von innen, aus friedlicheren Zeiten. Der Direktor, den er bei seinem Besuch kennenlernte, vergleicht die Verteidigung des Werks heute mit der Schlacht von Stalingrad.

vom Recherche-Kollektiv Weltreporter:
6 Minuten
Blick in eine Produktionshalle von Asowstal, im Hintergrund wird glühender Stahl verarbeitet.

„Asowstal ist Mariupol, und Mariupol ist die Ukraine“, sagte mir Enver Zkitischwili nach bereits vor drei Jahren bei einer Führung durch sein Werk. Um zu zeigen, dass es sich lohne, in der Kiew-treuen Stadt an der Grenze zum pro-russischen Separatistengebiet „Volkrepublik Donezk“ zu bleiben und für die Ukraine zu arbeiten, hebe er die Löhne seiner gut 10.000 Angestellten immer wieder etwas an, erklärte mir der langjährige Betriebsdirektor damals bei einem persönlichen Treffen im Bürotrakt des Metallurgiekombinats Asowstal.

Inzwischen ist der Bürotrakt im Ostteil des riesigen Firmengeländes längst zerstört. Seit sechs Wochen schlagen täglich Dutzende Raketen in der elf Quadratkilometer großen Industrieanlage ein, die mitten in Mariupol liegt. Dazu kommen bunkerbrechende Bomben der russischen Luftwaffe und seit einer Woche auch Artilleriebeschuss, der nun direkt auf das Werkgelände vorrückenden russischen Armee.

Dorthin haben sich die letzten Verteidiger der ukrainischen Hafenstadt am Asowschen Meer zurückgezogen. Der Rest der Halbmillionenstadt befindet sich seit spätestens Mitte April in den Händen der russischen Invasionstruppen, die Frontlinie verläuft nun weiter nordwestlich. Doch die bis zu 3000 ukrainischen Soldaten in den Katakomben des Metallurgie-Kombinats Asowstal binden immer noch ein Dutzend russische Bataillone, die von Moskau dringend für die Eroberung des nördlichen Donbas benötigt würden.

Blick auf das riesige Industriekonglomerat mit Schornsteinen und rostigen Anlagen. Rauch steigt auf.
Das Stahlwerk von Mariupol Anfang Mai 2022
Der Direktor vo Asowstal, Enver Zkitischwili, sitzt 2018 am Schreibtisch seines Büros.
„Asowstal ist Mariupol, und Mariupol ist die Ukraine“, sagt der Direktor von Asowstal, Enver Zkitischwili, hier 2018 in seinem noch intakten Büro.
Ein Arbeiter von Asowstal mit Schutzhelm telefoniert mit seinem Handy vor einer Tafel, die historische Produktionsdaten des Werks auflistet.
Ein Arbeiter von Asowstal telefoniert vor einer Tafel, die historische Produktionsdaten des Werks auflistet.
Eine Tafel vor einem Bürogebäude von Asowstal zeigt die Fotos von 20 Mitarbeiterïnnen des Werks.
Diese Tafel vor dem Bürotrakt von Asowstal zeigt Fotos von Mitarbeitern des Werks im Jahr 2018. Wie viele davon den Angriff der russischen Armee überlebt haben, ist aktuell nicht bekannt.