Erlebt Australien eine klimapolitische Zeitenwende?

Die neue Regierung hat dem Land ein Klimagesetz beschert. Doch wie die Vorgängerin unterstützt sie weiter Gas- und Kohleprojekte

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Anthony Albanese, Autraliens neuer Premierminister spricht bei der Eröffnung des Parlamentssaison im Juli in Canberra. Im Hintergrund die australische Flagge, die Flagge der Aboriginal Australians und die der Torres Strait Insulaner.

Wer sich in Australien mehr Klimaschutz gewünscht hatte – auch auf dem Südhalbkugelkontinent ist das inzwischen die Mehrheit – atmete auf, und das bereits zum zweiten Mal in fünf Monaten: Im Mai wählten die Australierinnen und Australier die konservative Regierung von Scott Morrison ab, Labor gewann die Mehrheit, Anthony Albanese wurde neuer Premierminister. Die Grünen holten mit vier direkten Mandatenmehr als je zuvor, zusätzlich bekam eine Gruppe von Parteilosen (Independents) im Parlament mehr Gewicht. Anfang August billigte das Repräsentantenhaus das erste Klimagesetz, das das Land je hatte, und Labor macht die im Wahlkampf versprochenen Schritte in Richtung Klimaschutz zu geltendem Recht: Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 43 Prozent gesenkt werden.

Auch von ungewohnter Seite kommt Druck: Diese Woche machten acht Torres Strait Insulaner Geschichte. Den Bewohnern der nordaustralischen Inselgruppe gab die UN- Menschenrechtskommission nach einer Beschwerde von 2019 Recht: Durch inadequate Klimapolitik habe die australische Regierung die Insulanerïnnen nicht ausreichend vor den Folgen des Klimawandels geschützt und damit Kultur, Alltag und Überleben auf Massig Island direkt negativ beeinflusst.

Es wird also in jeder Hinsicht Zeit, das scheint auch der neuen Regierung klar. „Heute ist ein guter Tag für unser Parlament und unser Land“, war Klimawandelminister Chris Bowen überzeugt, als das neue Klimagesetz in der zweiten Septemberwoche auch im Senat verabschiedet wurde, „Davon werden wir viele weitere benötigen.“

Für die Verabschiedung in der zweiten Kammer benötigte Labor auch die Unterstützung von Unabhängigen und Grüne, die er bekam. Schon in der ersten Runde stimmten die Grünen mit Labor, obgleich die Regierungspartei auf eine ihrer wesentlichen Forderungen nicht einging: AustraliensGreens wollen in den nächsten acht Jahren nicht nur eine CO2-Reduktion von 75 Prozent sehen, sondern auch ein Ende neuer Kohle- und Gasprojekte. „Dies ist ein kleiner Schritt nach vorn bei der Bewältigung der Klimakrise“, sagte Grünenchef Adam Bandt nach der Sitzung. „Doch die Arbeit auf dem Weg zum Stopp für neue Kohle- und Gasprojekte geht weiter.“ Trotzdem waren viele Australier, auch viele Greens-Wählerïnnen, über die Ankündigung des ersten Klimagesetzes erleichtert. Motto: besser als nichts.

Schon kleine Schritte zu mehr Klimaschutz werden gefeiert

Um zu verstehen, warum schon kleine Schritte in Australien als Durchbruch gefeiert werden, hilft ein Blick zurück. Denn bis vor kurzem befand sich Australien auch klimapolitisch in einer anderen Zeitzone als Europa. Parteiinterner Zynismus, eine hoch subventionierte und gewinnbringende Kohleindustrie und nicht zuletzt die Klimawandelleugner in der Regierung bremsten über ein Jahrzehnt echtes Handeln.

Zuletzt hatte Labor 2019 ohne Erfolg eine „Klima-Wahl“ propagiert. Premierminister und Pfingstkirchler Morrison nannte seinen überraschenden Sieg für die Liberals damals nach einem weitgehend inhaltsleeren Wahlkampf „ein Wunder“. Viele Analysten stimmten ihm zu. Der Konservative ignorierte Rufe nach mehr Klimaschutz, blieb vage und vor allem seiner geliebten Kohle treu. Australien ist der zweitgrößte Kohleexporteur der Welt, und Morrisons Leidenschaft für den Rohstoff nahm mitunter kuriose Formen an: 2017 wedelte er, damals noch Finanzminister, im Parlament aufgeregt mit einem Stück Kohle. „Haben Sie keine Angst, es wird Ihnen nicht weh tun, es ist nur Kohle!“, rief er den Abgeordneten zu und lobte den Rohstoff als „wichtigen Teil unserer nachhaltigen Energiewirtschaft der Zukunft“.

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Der Artikel erschien zuerst in „Blätter für deutsche und internationale Politik 9/22“ und wurde für diese Ausgabe aktualisiert.

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