Richtungsweisendes Urteil: Gericht stärkt Rechte der Anwohner gegen Parken auf dem Gehweg

Mit zwei Rädern auf dem Gehweg nehmen Autos den Fußgängerïnnen den Platz weg. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht sich mit einem Fall in Bremen beschäftigt und als letzte Instanz entschieden.

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
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Eine Frau fährt mit ihrem Fahrrad in eine Einbahnstraße. Auf den Gehwegen parken Autos.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Bremer Behörden für den Umgang mit Gehwegparkern die Gelbe Karte gezeigt. Die Richterïnnen haben entschieden: Anwohnerinnen und Anwohner haben einen Anspruch darauf, dass Städte und Kommunen die Situation vor Ort prüfen. Die Behörden müssen gegen das Abstellen von Autos auf Gehwegen vorgehen. Allerdings räumt das Gericht der Behörde einen Entscheidungspielraum ein, wo sie zuerst tätig wird. Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) hat damit den Klägerïnnen aus Bremen recht gegeben. Es ist aber zu erwarten, dass das Urteil auch für andere Städte richtungsweisend wird.

Für die Klägerïnnen ist der Leipziger Richterspruch ein Erfolg. „Ich bin sehr zufrieden, es ist salomonisches Urteil“, sagt Hubertus Baumeister, Jurist und einer der Kläger. „Die Straßen, in denen Falschparker die Anwohner und Passanten besonders stark behindern, sollten bevorzugt behandelt werden“, sagt er. Etwa, wenn nur 50 bis 80 Zentimeter Weg verbleiben oder Erwachsene mit Senioren und Kleinkindern auf die Fahrbahn ausweichen, wenn sie Hand in Hand gehen wollen oder einander unterhaken.

Sinngemäß forderte das Oberverwaltungsgericht Bremen dieses Vorgehen bereits in seinem Urteil im Februar 2023. Damals waren sowohl die Kläger als auch die Beklagte in Revision gegangen. Seitdem haben die Behörden in Bremen in zwölf Straßen mithilfe von Markierungen, Schildern und Fahrradbügeln Platz für Rettungskräfte wie die Feuerwehr geschaffen. Zuvor wurden die Rettungskräfte bei ihren Einsätzen immer wieder von Falschparkern ausgebremst.

Bremen ist ein riesiger Sanierungsfall. Die Rettungssicherheit war und ist mancherorts nicht gegeben.

Hubertus Baumeister

Zwölf Straßen sind ein Anfang, der reicht aber bei Weitem nicht aus. Michael Glotz-Richter arbeitete bis zu seiner Pensionierung im Februar als Referent für nachhaltige Mobilität in der Bremer Senatsbehörde. Er kennt Aufstellungen mit mehr als 250 Straßenabschnitten in Bremen, an denen Falschparker die Feuerwehr behindern. Etliche der kritischen Stellen hat er früher gemeinsam mit den Rettungskräften identifiziert. „Bremen ist ein riesiger Sanierungsfall. Die Rettungssicherheit war und ist mancherorts nicht gegeben“, sagt Baumeister.

Behörde muss Konzept vorlegen

Für ihn und die Mitklägerïnnen steht fest: Die Rettungssicherheit hat beim Freiräumen der Straßen Priorität. Sie erwarten allerdings, dass Bremen ein Konzept mit konkreten Maßnahmen vorlegt, das aufzeigt, wann die Klägerïnnen ihre Fußwege vor der Haustür wieder nutzen können. Wenn das nicht vorliegt, werden sie wieder klagen. Diese Vorgabe könnte aber bereits die schriftliche Begründung des BVG-Urteils enthalten, das Baumeister in sechs bis acht Wochen erwartet.

Fünf Stunden haben die Richterïnnen des Bundesverwaltungsgerichts am Donnerstag das Urteil miteinander verhandelt. Das Bundesurteil ist eine Aufforderung an die Kommunen, die geltenden Regeln durchzusetzen. Wenn sie das nicht tun, kann ihnen eine Klagewelle drohen. „Alle deutschen Städte, die beim Gehwegparken die Augen zugedrückt haben, müssen jetzt umdenken“, heißt es in einer Stellungnahme des Verkehrsclubs Deutschland. Die Deutsche Umwelthilfe forderte Städte und Gemeinden auf, Ordnungsgelder zu verteilen oder Autos abschleppen zu lassen.

Eine Bake und Fahrradbügel stehen am linken Fahrbahnrand. Am rechten Fahrbahnrand parken Autos.
Mit Pollern, Fahrradbügeln und Markierungen können die Behörden die Gehwege zügig freiräumen.

Bremen unter Zugzwang

Die Situation in Bremen bleibt spannend. Bremens Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung, Özlem Ünsal (SPD), begrüßte gestern das Urteil. Sie erklärte in einer Mitteilung, das Urteil bestätige das Vorgehen des Ressorts. "Wir nehmen unsere öffentliche Aufgabe sehr ernst und werden in diesem Rahmen auch weiter zusammen mit der Bremer Innenbehörde und dem Ordnungsamt gegen illegales Gehwegparken vorgehen. Man setze derzeit ein stadtweites Konzept um.

Spürbar ist davon noch wenig. Gerade mal zwölf Straßen hat die Senatsverwaltung seit Februar 2023 für die Feuerwehr freigeräumt. Dabei ist das Unterbinden des Gehwegparkens schnell umsetzbar. Durch die Aufstellung von Pollern, Fahrradbügeln und mit zusätzlichen Markierungen könnten die Behörden das falsche Parkverhalten schnell korrigieren. Ob die Senatorin Wort hält und konsequent gegen das Gehwegparken vorgeht, werden die kommenden Monate zeigen.

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