„Wie in vielen Städten haben wir auch in Bremen eine Parkraum-Anarchie“

In Bremen haben Anwohnerïnnen gegen das Parken auf ihren Wegen geklagt. Nun entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, wie Bremens Behörden zukünftig mit Falschparkern umgehen. Der Verkehrsexperte Michael Glotz-Richter berichtet im Interview über Behördenversagen und wie das Zuparken der Wege die Menschen in ihrem Alltag belastet.

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
5 Minuten
Auf beiden Seiten der Straße parken Autos mit zwei Rädern auf den Gehwegen

Auf der Fahrbahn zu laufen statt auf dem Fußweg, ist in einigen Bremer Stadtteilen schon normal. Die Gehwege vieler Wohnstraßen werden seit Jahren von Autos blockiert. Mit zwei Rädern machen sich die Pkw auf dem Gehweg breit und versperren den Menschen den Weg.

Einige Anwohnerinnen und Anwohner wollten das nicht länger hinnehmen und forderten die Bremer Behörden auf, dagegen vorzugehen. Aber die Verkehrsbehörde ignorierte sie. 2019 waren die Anwohner das Warten leid, sie verklagten die Verkehrsbehörde. Am Donnerstag entscheidet nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, ob die Menschen in Bremen ein Recht auf freie Fußwege haben oder die Autos in den Straßen die Oberhand behalten. Michael Glotz-Richter kennt die Situation. Bis zu seiner Pensionierung im Februar 2024 war er Referent für nachhaltige Mobilität in der Hansestadt Bremen. Nun leitet er die Arbeitsgruppe „Expert Group on Urban Mobility“ der Europäischen Kommission.

Herr Glotz-Richter, in manchen Bremer Stadtteilen laufen die Menschen in den Wohnstraßen auf der Fahrbahn, weil Autos ihnen die Gehwege versperren. Wie konnte es so weit kommen?

Michael Glotz Richter: Die Politik gibt den Kurs vor und bestimmt, ob geltende Regeln eingehalten werden. Wie in vielen Städten haben wir auch in Bremen eine Parkraum-Anarchie. Der Innensenator zeigt viel Verständnis für die Parkprobleme von Autofahrern und lässt nicht konsequent Strafzettel schreiben oder abschleppen, wenn die Autos die Gehwege versperren. Weil die Innenbehörde die Verkehrsregeln nicht anwendet, machen die Leute sich ihre eigenen und parken auf den Gehwegen. Mittlerweile pochen sie auf eine Art Gewohnheitsrecht, weil sie ihre Autos seit Jahren illegal auf dem Gehweg abstellen. Aber durch die tägliche Praxis wird illegales Parken nicht legal. Die Anspruchshaltung zeigt, dass viele Menschen den Parkverstoß mittlerweile gar nicht mehr als Vergehen wahrnehmen.

Der Mann blickt in die Kamera, trägt eine Brille, hat graues Haar und einen Bart.
Michael Glotz-Richter war bis zu seiner Pensionierung im Februar 2024 Referent für nachhaltige Mobilität in der Hansestadt Bremen. Jetzt arbeitet er als freier Berater und leitet unter anderem die Arbeitsgruppe „Expert Group on Urban Mobility“ der Europäischen Kommission.
Autos parken mit zwei Reifen auf dem Gehweg. Stellenweise blockieren sie über die Hälfte des Fußwegs.
In vielen Bremer Stadtteilen bleiben für Fußgänger nur noch Restflächen auf dem Gehweg - wie hier in Findorff.
Zwei Schlagbäume versperren die Zufahrt zu einem großen freien Parkplatz. Etwa ein Dutzend Fahrzeuge parken dort.
Der Parkplatz auf der Bürgerweide in Findorff. Hunderte Stellplätze sind frei. Fünf Gehminuten entfernt, versperren Falschparker in Findorff die Fußwege.