Gegen Panik und Katastrophenstimmung: Schluss mit reißerischen Schlagzeilen

„Alarm“, „Notstand“, „mysteriös“, „tödlich“: Beim Ringen um die Aufmerksamkeit der Medienkonsumenten geht es in erster Linie um Klicks und erst an zweiter Stelle um seriöse Information. Ein fragwürdiger Trend.

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Ein junger Mann mit grauem Hemd schau angespannt auf sein Handy.

An dieser Schlagzeile kamen viele vor knapp zwei Wochen kaum vorbei: „Tödliche Nervenkrankheit: Peru ruft Gesundheitsnotstand aus.“ Das Land befinde sich in einem Ausnahmezustand, weil das gefährliche Guillain-Barré-Syndrom immer häufiger auftrete. Betroffene könnten nicht mehr laufen, Muskeln versagten, einige drohten sogar zu ersticken. Alle berichteten, die seriösen und die weniger seriösen Medien. Alle entschieden, dass diese Meldung hinaus ins Land musste. Manche lieferten mehr, manche weniger der für die Einordnung wesentlichen Hintergrundinformationen.

In kaum einem anderen Land, außer vielleicht Peru selbst, interessierte man sich offensichtlich so sehr für die Vorgänge in dem knapp 34 Millionen Einwohner zählenden, südamerikanischen Land. Bei einer kleinen, eigenen Recherche in englischsprachigen Medien konnte ich diesen heftigen Nachrichten-Ausschlag in Richtung „Notstand“, „mysteriöse Erkrankung“ und „Gesundheitsalarm“ jedenfalls nicht bestätigt finden.

Auch den deutschsprachigen Medien hätte etwas mehr Zurückhaltung gutgetan. Die reißerischen Überschriften konnten schnell den Eindruck erwecken, in Peru breite sich eine gefährliche Infektionskrankheit rasant aus, die die Nerven lebensbedrohlich schädige. Dabei ist das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) eine Autoimmunerkrankung, eine Reaktion der Körperabwehr auf eine meist vorangegangene Infektion, aber keine ansteckende Krankheit.

Auch ist die Häufigkeit nicht so dramatisch, wie es die Schlagzeilen vermuten lassen. Zwei Fachleute versicherten mir, dass es wegen der eingeschränkten diagnostischen Möglichkeiten vor Ort keinesfalls sicher sei, ob die 182 Erkrankten tatsächlich vom GBS betroffen sind oder waren. Wegen der knappen Ressourcen im Gesundheitssystem des Landes wurde der Notstand ausgerufen. Nach meiner Einschätzung schrieb man hierzulande die Ereignisse in Peru aus einem anderen Grunde hoch, und der hat indirekt etwas mit der Corona-Pandemie zu tun.