Schutz vor der Bienenpest: Was die erste Impfung für Honigbienen wirklich bringt

Die Nutztiere sind dank der Impfung offenbar weniger anfällig für die Amerikanische Faulbrut. Um Honig- und Wildbienen insgesamt widerstandsfähiger zu machen, braucht es jedoch keinen Impfstoff, sondern bessere Umweltbedingungen

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Honigbienen auf ihren Waben im Bienenstock

Die Biene ist in Not. „Pflanzenschutzmittel und eine einseitige Ernährung durch Monokulturen machen die Wild– und die Honigbiene anfälliger für Krankheitserreger“, sagt Dalial Freitak. Die Biologin und Leiterin der Arbeitsgruppe für Bienenbiologie und Verhalten an der Universität Graz hat mit ihrem Team einen Impfstoff für Bienen entwickelt, der sie zumindest vor einer Gefahr schützen soll: der Amerikanischen Faulbrut. Das ist eine äußerst ansteckende Erkrankung, die von Bakterien verursacht wird und die den Nachwuchs in einem Bienenstock abtötet. Seit dem 4. Januar 2023 ist die Impfung in den USA zugelassen, tausende Bienenstöcke sind inzwischen damit geimpft. Wie funktioniert die Bienenimpfung und wie wirksam ist sie tatsächlich?

Die Immunabwehr der Bienen

Bisherige Forschergenerationen hielten es für unmöglich, Bienen gegen bedrohliche Bakterien oder Viren zu „impfen“. Denn das Immunsystem der Insekten unterscheidet sich deutlich von dem der Wirbeltiere: Antikörper und Gedächtniszellen – die Stützpfeiler des Impfschutzes – haben sie nicht. Insekten verfügen aber über eine sehr potente angeborene Immunabwehr. Bestimmte molekulare Detektoren bemerken, wenn Krankheitserreger eingedrungen sind und lösen Alarm aus. Als Folge produzieren Zellen im Fettkörper der Tiere Abwehrstoffe, die den Bakterien, Viren oder Pilzen zusetzen.

Die Immunabwehr der Insekten kann sich diesen Kontakt auch ohne Gedächtniszellen merken. Das haben Forschende in den letzten Jahren festgestellt: Sie sprechen von einem so genannten „Immun-Priming“. Einzelne Tiere, die die Auseinandersetzung mit einem Erreger überlebt haben, sind bei einem erneuten Kontakt besser davor geschützt. Grundlage dieses Primings sind offenbar optimierte Signalwege, die die Zeit zwischen dem Alarm und der Ausschüttung von Abwehrstoffen verkürzen. Das Immunsystem des Insekts ist quasi schon in Alarmstimmung und kann bei einem tatsächlichen Befall schneller reagieren

Widerstandskraft gegen Erreger an die Nachkommen weitergeben

Dalial Freitak hat vor fast zehn Jahren herausgefunden, dass Bienen diese erworbene Widerstandskraft sogar an die Nachfolgegeneration weitergeben können. Fachleute nennen den Prozess: Transgenerationales Immun-Priming oder generationsübergreifende Immunität. „Die Bienenkönigin packt kleine ungefährliche Molekül-Stückchen des Erregers in ihre Eier. Der Embryo ist dadurch schon „vorgewarnt“ und fährt unter anderem die Produktion antimikrobieller Moleküle hoch, ehe die Larve geschlüpft ist“, erklärt Freitak. Die Trägersubstanz für die Warnmeldungen an die nächste Generation ist das Protein Vitellogenin, das Bestandteile von Bakterien erkennt und bindet. Es findet sich bei eierlegenden Königinnen in großen Mengen in der Körperflüssigkeit, im Fettkörper und schließlich im Ei selbst.

Der Bienenforscher Paul Schmidt-Hempel von der ETH Zürich injizierte versuchsweise abgetötete Krankheitserreger in Bienenköniginnen. Seine Ergebnisse, die er vor sieben Jahren veröffentlichte, bestätigten Dalia Freitaks Forschungsarbeiten: Die Töchter der Königinnen, also die Arbeiterbienen, stellten bestimmte Alarm- und Abwehrmoleküle her, die die Tiere sonst nur nach Kontakt zu bestimmten Mikroben produzieren. Die Tochtergeneration selbst hatte die krankmachenden Bakterien jedoch nie zuvor „gesehen“.

Gefahr für den Bienenstock: die Amerikanische Faulbrut

Die erste, auf dem Markt befindliche Bienenimpfung richtet sich gegen die Amerikanische Faulbrut, die umgangssprachlich auch als Bienenpest bezeichnet wird. Diese Krankheit ist ein weltweit gefürchteter Auslöser des Bienensterbens. Sie wurde erstmals in den USA beschrieben, stammt aber ursprünglich vermutlich aus Europa. Bakterien der Sorte Paenibacillus larvae infizieren Larven in ihren ersten drei Lebenstagen. Erwachsenen Bienen kann das Bakterium nichts anhaben. Doch die Folgen für den Nachwuchs sind verheerend: Die Larven sterben ab und verwandeln sich in einen braunen, übelriechenden Schleim. Trocknet dieser aus, überleben die Bakterien als Sporen und können sich über Sammelbienen, die zum Beispiel als Honigräuber den erkrankten Bienenstock besuchen, in einer Region ausbreiten. Der Erreger ist extrem hartnäckig. Die Sporen können sich über 60 Jahre lang im Holz eines Bienenstockes halten und die Krankheit übertragen.

Die Bienenkrankheit ist meldepflichtig. Treten in Deutschland oder in Europa Fälle auf, richten die Behörden einen Sperrbereich um das befallene Volk ein. Noch vor einigen Jahren musste der komplette Bienenstock sofort verbrannt werden. „Diese Maßnahmen wurden über Jahre konsequent durchgezogen, die Krankheit wurde zurückgedrängt“, sagt Robert Paxton vom Institut für Zoologie an der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg. Im letzten Jahrhundert seien jedes Jahr noch etwa 10 bis 20 Prozent der Bienenvölker betroffen gewesen, heute hierzulande nur noch etwa 0,5 Prozent. Mittlerweile müssen bei einem Faulbrutbefall nicht mehr zwingend ganze Bienenvölker getötet und ihre Behausungen verbrannt werden. Es ist stattdessen möglich, lediglich bebrütete Waben zu vernichten und die fliegenden Bienen über einen Kunstschwarm umzuziehen.

Antibiotika machen Faulbrut-Erreger resistent

Auch in den USA ist die Bienenpest meldepflichtig. Doch im Gegensatz zu Ländern der Europäischen Union und Großbritannien dürfen Imker den Bienenstock bei Befall und auch zur Vorbeugung mit einem Antibiotikum besprühen. Die dort von professionellen Imkern im großen Stil praktizierte Wanderimkerei schwächt und stresst die Tiere zusätzlich. „Die Faulbrut wurde dort über Jahre permanent unterdrückt und inzwischen haben sich resistente Bakterien entwickelt“, erklärt Paxton. Kein Wunder also, dass in den USA nach neuen Lösungen gesucht und der Impfstoff zuerst dort zugelassen worden sei. Paxton stört sich allerdings ein wenig am Begriff „Impfung“ und würde wegen des biologischen Mechanismus lieber von „Prägung“ sprechen.

Wie die Impfung oder Prägung funktioniert

Die Impfung funktioniere sehr einfach, ähnlich einer Schluckimpfung gegen Kinderlähmung bei Menschen, schildert Dalial Freitak: „Der Impfstoff enthält die Bruchstücke inaktivierter Faulbrut-Erreger; die Imker bekommen ein Gläschen davon zugeschickt und mischen den Inhalt in die Zuckerpaste, die die Arbeiter-Bienen an die Königin verfüttern.“ Ein Riesenvorteil sei, dass man nur ein Individuum in einem Bienenvolk impfen müsse, nämlich die Königin und alle Nachkommen seien geschützt. Die gebürtige Estin hat zusammen mit Kolleginnen und Kollegen die Firma „Dalan Animal Health“ gegründet, die den Impfstoff in den USA vertreibt. Hier ist das Produkt von der zuständigen Behörde seit Anfang des Jahres zunächst für zwei Jahre zugelassen.

Doch wie gut die Impfung tatsächlich wirkt, ist noch unklar und unter Fachleuten umstritten. Das hat auch mit den herausfordernden Testbedingungen zu tun. Ein Infektionsversuch mit der Bienenpest im Freiland ist zu gefährlich und nicht zugelassen, weil sich andere Völker in der Umgebung anstecken könnten. Einen Bienenstock kann man auch nicht einfach in ein Labor stellen, die Königin impfen und dann bei einem Infektionsversuch prüfen, wie gut das Volk wirklich vor der Bienenpest geschützt ist. „Ein Volk besteht aus mindestens 10.000 bis 30.000 Individuen, die in einem Umkreis von mehreren Kilometern ausfliegen. Bienen sind Wildtiere, die man nicht einfach in Gefangenschaft halten kann“, erklärt Freitak.

Testung der Wirksamkeit ist kompliziert

Ihr Team hat sich etwas anderes überlegt, um die Wirksamkeit der Impfung zu testen: Die Forscherinnen und Forscher aus Graz impfen Königinnen mehrerer Bienenvölker im Freiland und entnehmen dem Bienenstock dann einen Rahmen mit Waben und Larven. Die Larven infizieren sie schließlich im Labor mit den Bakterien. Auch das ist keine einfache Aufgabe, denn im Freiland kümmern sich die Ammenbienen um den Nachwuchs – die sind aber nicht mit ins Labor gereist. „Wir versuchen, die Aufzuchtbedingungen im Labor möglichst naturgetreu nachzuahmen“ erklärt Freitak.

Bei den Infektionsversuchen überlebten nun rund die Hälfte der geimpften und keine der Larven, die aus einem ungeimpften Bienenstock stammten. Die Grazer geben die Wirksamkeit der Methode also mit 50 Prozent an. Das sei ein gutes Ergebnis, erklärt Freitak. Denn man hätte bei den Tests recht hohe Bakterienmengen eingesetzt, wahrscheinlich sogar mehr Faulbruterreger als die Larven unter natürlichen Bedingungen ausgesetzt wären.

Reicht die Schutzwirkung aus, um die Faulbrut zu verhindern?

Ob die Wirksamkeit damit wirklich so hoch und vor allem ausreichend ist, um ein Volk im Freiland vor der Faulbrut zu bewahren, wie Freitag sagt, ist umstritten. Bienenforscher Robert Paxton ist offen für die Idee der Grazer Kolleginnen und Kollegen aber auch ein wenig skeptisch: „Wenn es im Labor funktioniert, heißt das nicht, dass es auch in freier Wildbahn klappt, wo eine einzelne infizierte Larve mitunter Millionen an Sporen freisetzen kann.“

Dalial Freitak jedoch ist zuversichtlich. Bisher habe sich keiner der Imkerinnen und Imker aus den USA, die den Impfstoff bestellt und angewendet hätten, mit einem Faulbrutbefall gemeldet. „Wir haben bisher noch nichts Negatives gehört.“ Doch die Tatsache, dass das US-Landwirtschaftsministerium die Bienen-Impfung zunächst befristet für zwei Jahre zugelassen hat, zeigt, dass sich das Verfahren erst einmal unter Real-Life-Bedingungen beweisen muss.

Auch in Europa gibt es Interessenten für die Impfung

Paxton und Freitak könnten sich trotz der niedrigen Fallzahlen vorstellen, dass es auch in Europa Interesse an der Impfung geben wird. Die Bakterien seien allgegenwärtig, sagt Freitak. Es gebe bereits erste Kontakte zu den zuständigen europäischen Institutionen. „Veterinäre und auch Imker sorgen sich, dass die Fallzahlen auch in Europa steigen könnten, weil es den Bienen insgesamt so schlecht geht“, sagt Paxton.

Eine der größten Stressfaktoren für die hiesige Honigbiene sei neben den Umweltchemikalien, und dem Artenrückgang der Bestäuber-Pflanzen, die Varroa-Milbe. Jeder Bienenstock hierzulande habe inzwischen mit der Milbe zu tun. Die Imker und Imkerinnen können den Parasiten eindämmen aber nicht ausrotten. Die Milbe überträgt unter anderem das Krüppelflügelvirus. War in den 1960er Jahren einer von 10.000 Bienenstöcken mit diesem Virus befallen, sei es heute jeder, sagt Paxton. Sein Team entwickelt zusammen mit dem Virologen Sven Behrens (ebenfalls von der Martin-Luther-Universität Halle) ein Verfahren zur Stärkung der angeborenen Immunabwehr für Bienen gegen dieses Virus. Dabei machen sich die Forschenden die so genannte RNA-Interferenz zu Nutze: ein maßgeschneidertes Abwehrmolekül, mit dem sich Insekten auch auf natürliche Weise gegen Krankheitserreger wehren.

Gesundheit und Widerstandskraft der Bienen stärken

Ob mit der Schluckimpfung oder mittels RNA-Interferenz: Wir sollten alles dafür tun, die Bienen durch verbesserte Lebensbedingungen widerstandsfähiger zu machen, da sind sich die Fachleute einig. Das gilt vielmehr noch für die Wildbienen als für die Honigbiene, die ein Kulturtier ist und deren Bestand nicht wirklich gefährdet ist. Wildbienen leiden hingegen eindeutig unter dem Pestizideinsatz, den Monokulturen und der Landschaftsversiegelung. Hier muss sich etwas ändern. Den Wildbienen ist mit einem Impfstoff jedenfalls nicht geholfen.

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