Nach der Recherche ist vor der Recherche
Wie geht es weiter mit dem „Schweinesystem“?
Die erste Etappe ist geschafft. Trotz meiner anfänglichen Skepsis – warum dauert der Community-Aufbau so lange, warum tröpfeln die ersten Antworten so spärlich herein? – hat die Dialog-Recherche gehalten, was wir uns von ihr versprochen hatten: eine Fülle spannender Antworten und einen Fahrplan, wohin es mit der weiteren Recherche geht. Vor allem hat sie uns davor bewahrt, voreilige Schlüsse zu ziehen. Was prompt zum Absturz einiger Thesen führte. Thesen, die wir uns am Schreibtisch ausgedacht hatten, und auch solche, die uns von Expert*innen nahegelegt worden waren. Derlei Dinge passieren Reporter*innen immer mal wieder, wenn sie draußen im Feld sind. Ihre Annahmen kollidieren mit der Wirklichkeit. Dann kehren sie mit leeren Händen heim und müssen entweder von vorn anfangen oder eine Geschichte des Scheiterns erzählen.
Willkommene Widersprüche
Wir dagegen hatten den Luxus, uns gleich zu Beginn immer wieder korrigieren zu können. Unsere erste These stimmt nicht? Die Sache ist in Wirklichkeit ganz anders? Was bedeutet das? Die Stimmen der vielen schufen ein differenziertes Bild und gaben uns viele neue Fragen mit auf den Weg. Also genau das, was wir haben wollten.
Nun geht es in die Tiefe. Im Moment bereiten wir die Hintergrundgespräche vor, die wir mit einigen Akteur*innen des “Schweinesystems” halten wollen. Und wir planen unsere Reisen zu ihnen. In Zeiten von Corona.
Doch genau da stecken wir fest. Wir müssen reisen, anders können wir nicht mit eigenen Augen sehen, was uns die Dialog-Recherche an Perspektiven geliefert hat. Das geht nicht mit Zoom und auch nicht, wenn wir Kolleg*innen vor Ort um Hilfe bitten.
Wir müssen selbst hinein in finnische und deutsche Schweineställe, müssen mit finnischen und deutschen Bäuer*innen sprechen, von Angesicht zu Angesicht. Doch all das ist in Zeiten der Pandemie nicht möglich. Wir hoffen darauf, im April oder Mai reisen zu können. Vorsichtig gesagt.
In die Tiefe recherchieren
Das ist für uns drei Rechercheur*innen eine ganz neue Situation: Zeit haben. Mehrere Monate lang wird unser Projekt brachliegen. Was sich zuerst wie Stagnation anfühlt, ist in Wirklichkeit eine riesige Chance. Wann, wenn nicht jetzt, können wir alle Quellen berücksichtigen? Es gibt viele Ungereimtheiten, denen wir nachgehen können. Zum Beispiel bei den Kontrollen des Tierwohls. Da klaffen die Informationen extrem weit auseinander. Jetzt können wir in die Tiefe bohren, mit so viel Zeit wie nie. Wir werden sie nutzen.