Forscher: „Der Oderausbau ist langfristig das größere Problem als die aktuelle Katastrophe“

Der Leibniz-Forscher Christian Wolter ist einer der besten Kenner des Ökosystems an der Oder. Ein Gespräch über die Besonderheiten des naturnahesten Flusses Deutschlands, seine faszinierenden Bewohner und die Gefahren für den Fluss durch das aktuelle Fischsterben und die Ausbaupläne auf polnischer Seite.

vom Recherche-Kollektiv Countdown Natur:
13 Minuten
Eine Gruppe toter Fische am Spülsaum

Porträtfoto Christian Wolter
Christian Wolter ist Forschungsgruppenleiter für Fließgewässerrevitalisierung am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zur Renaturierung von Fließgewässern. Das Ökosystem der Oder erforscht er seit fast 30 Jahren.
Blick auf den Oderstrom vom Boot aus
Die Oder ist einer der letzten relativ naturnahen großen Flüsse Deutschlands
Der Fluss Oder verläuft von Tschechien über Polen entlang der deutsch-polnischen Grenze via Stettin in die Ostsee. Die Landkarte stellt wichtige Daten dar, erste Meldung von Fischsterben am 26.7. im Oberlauf, Einleitung von Salzwasser Ende Juli, erste auffällige Messwerte auf deutscher Seite am 7.8.22
Wichtigste Orte und Ereignisse beim Fischsterben an der Oder
Ein Goldsteinbeißer in einem Aquarium
Große Rarität der Oder: Nur hier hat der seltene Goldsteinbeißer ein Vorkommen in Deutschland. Ob es das Vorkommen nach der Giftwelle noch gibt, ist fraglich.
Altarm in der Oderaue
Auen sind nicht nur schön, sie erfüllen auch zahlreiche ökologische Funktionen: Hochwasserrückhalt, Fischlaichgebiet und Vogelniststätte
Ein vom Biber angeknabberter Baum
Nicht nur für Fische, auch für zahlreiche andere TIere, wie den Biber, ist das Odertal von großer Bedeutung.
Ein Seeadler mit einem erbeuteten Fisch fliegt dicht über die Wasseroberfläche
Seeadler waren bereits fast ausgerottet. Das DDT-Verbot hat sie gerettet. Auch in der Agrarvogelkrise wissen wir, wo es anzusetzen gilt.
Oderaue bei Sonnenuntergang und mit Regenbogen
Eines der Ziele beim Naturschutzgipfel ist es, 30 Prozent des Planeten unter Schutz zu stellen,
Viele tote Fische treiben an einem Weht
Tote FIsche, überall. Rund 200 Tonnen Fischkadaver wurden bislang aus der Oder geborgen,
Tote Fische im flachen Wasser
„Das Fischsterben hat eine Dimension wie nach der Sandoz-Katastrophe von 1986“, sagt Sascha Maier.
Eine Trauerseeschwalbe füttert seinen Jungvogel, der auf einem Seerosenblatt steht.
Die Oderaue ist auch Brutgebiet der Trauerseeschwalbe. Die Vögel ernähren sich ausschließlich von Kleinfischen
Ein Altarm der Oder
Im Nationalpark Unteres Odertal gibt es noch Altarme und keinere mit dem Strom verbundene Gewässer, die als Ausweichrefugien für Fische überlebenswichtig sein können.