Federn schützen und schmücken – und zeigen dem Menschen seine Vergänglichkeit auf

Eine Ausstellung in Winterthur (Schweiz) widmet sich den Vogelfedern und ihrem Gebrauch durch den Menschen

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
9 Minuten
PJ Harvey on Dorset coastline, England
July 2010

Vogelfedern sind ein ideales Thema für Naturmuseen: Wie entstehen Federn, welche verschiedene Federnarten gibt es, wieso sind sie oft so bunt oder auch so tiefschwarz, wie bringen sie die Vögel in den Himmel, und wieso müssen Vögel ihr Federkleid regelmässig erneuern? Überraschende Antworte auf solche Fragen gibt eine Ausstellung in Winterthur, einer ehemaligen Industriestadt in der Nähe von Zürich.

Dort haben die Kuratoren die Vogelfedern allerdings ins Gewerbemuseum verfrachtet. Auch das ist eine gute Wahl: Die Ausstellung „Federn – wärmen, verführen, fliegen“ zeigt, wie Menschen Federn seit Alters her zu den verschiedensten Zwecken nutzen.

Bereits einige wenige Beispiele verdeutlichen die Breite der Verwendungsmöglichkeiten. Früher dienten Vogelfedern etwa als Schreibutensil, auch verliehen sie Pfeilen eine höhere Flug- und Treffsicherheit. Heute werden proteinreiche Hühnerfedern, die tonnenweise beim Schlachten anfallen, zu Dünger und Tierfutter verarbeitet. In der Autoindustrie wiederum kommen zarte, aber widerstandsfähige Straussenfedern in Walzenbürsten zum Einsatz, um Karosserien vor dem Lackieren von Staubpartikeln zu befreien.

ein gefiedertes Objekt an einer Wand [AI]
Mit einer solchen Straussenfeder-Walzenbürste (hier eine der Firma Kullen-Koti GmbH aus Reutlingen) werden Autokarosserien vor dem Lackieren vom Staub befreit. Das Prinzip ist dasselbe wie beim Staubwedel.

Sogar Detektive tragen Federn mit sich herum, nämlich solche des Marabus in Form von Pinseln, mit denen sie Fingerabdrücke zum Vorschein bringen. Und im Bett kuschelt sich der Mensch nicht nur in warme Daunendecken, sondern nutzt Federn noch zu ganz anderen Zwecken – etwa in Form edler Sexspielzeuge, die mit weichen Vogelfedern versehen sind. Am augenfälligsten aber ist der Federgebrauch bei Bekleidung und Schmuck. Hier macht sich der Mensch sowohl die Isolationsfähigkeit als auch die Schönheit der Vogelfedern in besonderem Masse zunutze.

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Jetzt sieht man sie wieder überall. Daunenjacken beherrschen das Strassenbild. Auch in einem milden Winter wie diesem ziehen sich die Menschen für einen Spaziergang an der frischen Luft eine Jacke über, die vor 100 Jahren für die eisigen und höchsten Gipfel der Erde gedacht war.

Als der australische Bergsteiger George Finch 1922 versuchte, den Mount Everest zu bezwingen, trug er die erste Daunenjacke der Welt. Daunen als Füllstoff für Schlafsäcke waren damals bereits bekannt. Doch zur Isolation von Kleidern hatte die flauschigen Federchen, die in idealer Weise ein extrem niedriges Gewicht mit einer sehr hohen Wärmespeicherung verbinden, noch niemand verwendet.

Die Bergsteigerkollegen machten sich über George Finch lustig, der in seiner neumodischen Bekleidung eine ziemlich pummelige Figur machte. Aber spätestens als sie die Grenze zur „Todeszone“ von über 8000 Höhenmetern überschritten hatten, verging ihnen das Lachen. Finch, der in der Schweiz aufgewachsen war, schaffte es zwar Zeit seines Lebens nie ganz auf den Gipfel des Mount Everest. Doch was die Wärmedämmung betrifft, bewies er, dass seine Jacke den herkömmlichen Jacketts überlegen war.

Allerdings verpasste es George Finch, die Daunenjacke zum Patent anzumelden. Er widmete sich als Professor in London lieber der Chemie. Das Geschäftliche übernahm in den 1930er Jahren der Amerikaner Eddie Bauer. Seine erste Daunenjacke trug den Namen „Skyline“ und legte die Grundlage für ein bis heute weltweit tätiges Unternehmen für Sport- und Outdoor-Bekleidung.

In den vergangenen Jahren hat sich die Daunenjacke vom Luxusgut zur erschwinglichen Alltagsbekleidung gemausert. Dies hat vor allem mit einem Umstand zu tun: dem steigenden Wohlstand der Chinesen und deren ungebrochenem Appetit auf Gänse- und Entenfleisch.

Lesen Sie weiter: Wieso die Daunenjacke von George Finch im Vergleich zu vielen heutigen Jacken tierfreundlich war und wie Vogelfedern aus einem Motorradhelm ein Kunstwerk machen. Einnahmen aus Einzelkauf und Abonnement fließen in unser Projekt „Die Flugbegleiter“ und ermöglichen neue Recherchen. Das Abo ist monatlich kündbar. Wenn Sie als Abonnent hier die Bezahlschranke sehen, einfach rechts oben auf „Anmelden" klicken.
eine Gruppe von Gänsen auf einem Feld [AI]
Daunenfedern sind Schlachtabfall. Doch noch immer werden Gänse und Enten auch lebend gerupft, was eine Tierquälerei ist.
Ein Vogel liegt auf dem Boden [AI]
Die weibliche Eiderente baut aus ihren Daunenfedern ein weiches und warmes Nest für die Küken. Ihre Daunen gehören zu den qualitativ besten und auch teuersten Federn, die der Mensch nutzt.
Julien_Cresp_Ateliers_d_Art_de_France
Einer der letzten Plumassiers bei der Arbeit in seinem Pariser Atelier: Maxime Leroy.
ein schwarzer Helm mit einer schwarzen Gesichtsmaske [AI]
Schnittig-aggressives Aussehen dank schwarz gefäbten Gänsefedern: der Motorradhelm von Maxime Leroy.
ein weißer Hund, der auf dem Rücken liegt [AI]
Die britische Künstlerin hat eine ganze Reihe von Feder-Kindern geschaffen. Diese in Winterthur ausgestellte Skulptur ist die erste aus der Serie: «Feather Child 1» (2011).