Der gestörte Wasserkreislauf: Wie wir Menschen unser Lebenselixier in Gefahr bringen

Erhitztes Klima, abgeholzte Wälder, ausgetrocknete Sümpfe und jede Menge Pipelines – Report über unseren Umgang mit Wasser

vom Recherche-Kollektiv Countdown Natur:
24 Minuten
Zwei Männer laufen über den Grund eines ausgetrockneten Sees, dessen Boden durch die Trockenheit aufgeplatzt ist,

Jeder Mensch sieht dieses Bild mindestens einmal während seiner Schulzeit: Wie Wasser aus dem Meer verdunstet, Wolken bildet, über Bergen abregnet, wie es über Flüsse in die Niederungen fließt und schließlich im Meer landet, wo alles von vorne beginnt. Vom “Wasserkreislauf” handeln die Schulstunden rund um diese Darstellung.

Doch im Juli 2019 deklarierte ein Team von 23 internationalen Wissenschaftlerïnnen aus Nordamerika und Europa dieses weit verbreitete Bild im Fachmagazin “Nature Geoscience” als komplett irreführend.

Die schematische Darstellung des Wasserkreislaufs sei für viele Menschen vielfach die Grundlage dafür, die Kreisläufe der Natur zu verstehen, schrieb das Forscherïnnenteam um den Biologen Benjamin Abbott von der Brigham Young University in Utah. In den allermeisten Darstellungen fehle aber der entscheidende Faktor: der Mensch.

“Wassernutzung, Klimakrise und veränderte Landnutzung haben für Milliarden Menschen und viele Ökosysteme weltweit eine Wasserkrise erzeugt”, warnen die Wissenschaftlerïnnen. Eine Darstellung des Wasserkreislaufs ohne diese Risiken schaffe nicht nur bei Schülerïnnen, sondern auch bei Politikerïnnen “ein falsches Gefühl von Sicherheit”.

Die Infographik für Kinder zeigt den klassischen Wasserkreislauf durch Meer, Wolken, Gebirgen und Flüssen. Was in der Darstellung fehlt ist der Mensch.
So bekommen auch heute noch viele Schülerïnnen den Wasserkreislauf vermittelt – doch die Darstellung lässt einen der wichtigsten Faktoren aus, uns Menschen.
Eine Luftaufnahme des riesigen Drei-Schluchten-Staudamms bei Nacht.  Der Staudamm ist hell erleuchtet.
Im modernen Wasserkreislauf ist der Mensch ein gewaltiger Faktor. Bauwerke wie der Drei-Schluchten-Staudamm in China sind nur eine von vielen Arten von Eingriffen.
Mann hockt am Flussufer und betrachtet Wasserprobe in einerSpritze.
Wasserforscher Ben Abbott von der Brigham Young Universität in Utah fordert Realismus im Umgang mit der Wasserkrise. Das fängt in der Schule mit Schaubildern an, die die Eingriffe des Menschen sichtbar machen.
Ein brennender Baumstumpf vor einer rauchenden Rodungsfläche im Amazonas.
2020: Ein Waldstück im Amazonas-Gebiet steht in Flammen. Wo Wald verschwindet, kommt auch der Wasserkreislauf durcheinander.
Tropischer Regenwald im Kongo-Becken, Wasserdampf steigt aus dem Wald.
Für einen erheblichen Teil des Wasser, das später im Niltal viele Millionen Menschen versorgt, beginnt die Reise im Kongo-Regenwald, wo es als Nebel aufsteigt und Wolken bildet.
Eine trockene Gebirgslandschaft mit zackigen Gipfeln, im Vordergrund eine kleine bäuerliche Siedlung.
Das Hochland von Äthiopien, wie hier das Semien-Gebirge, sammelt Feuchtigkeit aus dem Kongo und anderen Regionen ein und schickt es im Weißen und im Blauen Nil auf seine lange Reise gen Mittelmeer.
Ein großer Wasserfall am Blauen Nil inmitten von üppiger Vegetation, im Vordergrund grasende Kühe.
Der Blaue Nil speist sich aus dem Tana-See, einem der höchstgelegenen Seen Afrikas, und fließt dann über imposante Wasserfälle in Richtung Sudan.
Die Baustelle des Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm im Jahr 2020.
Wertvolles Gut Wasser: Der Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm am Blauen Nil sorgt seit Jahren für Streit zwischen Äthiopien, Ägypten und dem Sudan.
Eine Gruppe von Frauen vor der Kulisse des Merowe-Staudamms.
Auch der Sudan staut das Wasser des Nils. Der Merowe-Staudamm dient dazu, Strom zu erzeugen und Wasser für die Landwirtschaft abzuzweigen. Er entstand mit Hilfe chinesischer Firmen.
Die Skyline von Kairo bei Nacht mit dem Nil im Vordergrund.
Was im Kongo und im äthiopischen Hochland seinen Anfang nahm, ist am Unterlauf des Nil die Lebensgrundlage. In der ägyptischen Hauptstadt Kairo leben rund zehn Millionen Menschen.
Wasserkreislauf mit zahlreichen menschlichen Eingriffen wie Kanalisierung, Wasserdepots, Trockenlegung von Feuchtgebieten.
In Schulbüchern wird der Wasserkreislauf meist noch immer ohne Menschen dargestellt. Doch das entspricht längst nicht mehr der Realität.
Der Wissenschaftler Solomon Gebreyohannis Gebrehiwot
Solomon Gebreyohannis Gebrehiwot erforscht das Zusammenwirken von Ökosystemen und Wasserversorgung. Seine Arbeit wurde auch von der Alexander von Humboldt Stiftung gefördert.
Ein toter Fisch und andere Kadaver in einem durch Feuer ausgetrockneten Gewässer – eine gespenstische Szenerie.
Wenn Fische im Feuer sterben: Im Pantanal, einem riesigen Feuchtgebiet, das Brasilien, Paraguay und Bolivien verbindet, wüten Brände, obwohl das Ökosystem als Unesco-Welterbe unter Schutz steht. Es ist eines von vielen akut gefährdeten Feuchtgebieten weltweit.