Künstliche Intelligenz: Mit Geräten plaudern wie in der Science Fiction

Algorithmen lernen Sprache und Weltwissen anhand vieler Texte. Bald soll es auch eine deutsche Version eines solchen „Sprachmodells“ geben.

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Ein humanoider Roboter unterrichtet Geschäftsleute (künstlerische Darstellung).

Erst klingt der Dialog über Liebe ganz alltäglich. Doch dann sagt „Hal“ in dem Youtube-Video des Informatikers Alif Jakir: „Ich glaube, dass man absolut jeden lieben kann, egal wer er ist.“

Spätestens jetzt wirkt das Gespräch unnatürlich, obwohl die künstlich generierten Gesichter echt aussehen. Denn auch das Gespräch selbst ist synthetisch, erzeugt von einer speziellen Art künstlicher Intelligenz (KI), einem so genannten „Sprachmodell“.

Es heißt „GPT-3“ und hat im letzten Jahr die Welt verblüfft, der australische Sprachphilosoph David Chalmers wollte in der mit Eloquenz gepaarten Vielseitigkeit von GPT-3 sogar Anzeichen einer menschenähnlichen Intelligenz erkennen.

Deutsche Forscher wollen es mit den Tech-Giganten aufnehmen

GPT-3, entwickelt von der kalifornischen Firma OpenAI, war damals das rechenstärkste Sprachmodell. Es produziert selbständig Texte, die sich lesen, wie von Menschen verfasst. Wortgewandt behandelt die KI beliebige Themen, beantwortet Fragen, schreibt Geschichten, Dialoge oder Gedichte, übersetzt oder wandelt Alltagssprache in Programmiercode.

Das Sprachmodell zeigte, dass KI ein recht breites Wissen über die Welt lernen und ausdrücken kann. Ein Qualitätssprung, der einen Wettlauf um noch rechenstärkere Sprachmodelle ausgelöst hat, an dem sich große US-amerikanische Techfirmen wie Google oder der Chiphersteller Nvidia beteiligen. Im Sommer trat China, das sich als zweite KI-Macht neben den USA positionieren will, mit seinem Sprachmodell „Wu Dao 2.0“ in das Rennen ein. Im Dezember stellte die britische Google-Schwester Deepmind ihr Sprachmodell „Retro“ vor, das in einer externen Text-Datenbank „spickt“, wodurch Rechenkraft eingespart werden soll. Jetzt erhält der Wettlauf einen unerwarteten neuen Teilnehmer: Deutschland.

„Sprachmodelle sind eine entscheidende Entwicklung“, sagt Jörg Bienert vom KI-Bundesverband, ein Netzwerk aus deutschen KI-Unternehmen und -Experten. Sie seien Basis für eine ganze Reihe von Anwendungen wie Chatbots oder automatisches Auswerten von Dokumenten.

Mit dem Netz sprechen wie mit einem Freund

„Menschen werden immer natürlicher mit Computern sprechen“, ergänzt Jessica Heesen, Medienethikerin an der Universität Tübingen. Ein Dialog zwischen Mensch und Smartphone könnte sich dann so anhören: „Finde bitte das Dokument, das ich für den Vortrag am Samstag erstellt habe.“ Das Handy fragt nach: „Meinst du das mit der Umsatzgrafik drin?“ Sprachmodelle könnten zur Benutzeroberfläche des Netzes werden. „Wer Computer sprechfähig macht, wird eine große Vormachtstellung auf dem Markt haben“, meint Heesen.

Die computergenerierte Figur „Sophia“, die mit Hilfe der Sprachsoftware GPT-3 über Liebe spricht.
Die computergenerierte Figur „Sophia“, die mit Hilfe der Sprachsoftware GPT-3 über Liebe spricht.