Die Karpaten in der Ukraine: Wie ein Paradies zum Umwelt-Alptraum wurde

Bekannt als das größte bewaldete Naturparadies, erstreckt sich das Karpaten-Gebirge auf 190.000 Quadratkilometer über acht Länder. In der Ukraine wurde dieses Paradies jedoch zu einem vermüllten Alptraum. Eine Gruppe von Ukrainerïnnen legt nun selbst Hand an, um dem ein Ende zu bereiten. Doch auch hier, weit im Westen des Landes, ist man vom Krieg gezeichnet.

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Menschen reinigen mit verschiedenen Müllsäcken den Waldboden in den Karpaten.

Es ist Oktober in der Ukraine. Zwischen das Grün der Bäume mischt sich bereits ein trübes Orange. Durch die Bergreihen der Karpaten zieht sich dichter Nebel, einige wenige Vögel zwitschern noch, und in ihre Melodie fügt sich das sanfte Rauschen der Regentropfen. Hier, in einem Reservat nahe dem Dorf Mereshor im Oblast Transkarpatien, scheint die Idylle perfekt.

Trotz des Regens sammeln sich Menschen unter dem Schutz der Baumkronen. Gummistiefel und Regenjacken bewegen sich auf einem zuvor ausgeloteten Treffpunkt. Ein Gaskocher erhitzt Teewasser; zwischen den Gästen tauchen immer wieder gelbe Warnwesten auf. Müllsäcke liegen bereit. Die Menschen sind hier, um aufzuräumen.

Auch wenn die Karpaten als größtes bewaldetes Naturparadies Europas gehandelt werden, zeichnet sich hier in der Ukraine ein anderes Bild. Ein wenig abseits der Wege spiegelt sich wider, was in der Infrastruktur des Landes schiefläuft: Müllberge, soweit das Auge reicht. Plastikflaschen bedecken die Oberfläche eines Bergsees, Spritzen, Medikamente, Kleidung, Plastikeimer häufen sich am Ufer. Was unter der Wasseroberfläche ist, kann nur geschätzt werden. Ob aus Privathäusern, von Geschäften oder gar Krankenhäusern – der Müll der gesamten Region wird hier entsorgt. Und das bereits seit Jahrzehnten.

Die Karpaten ziehen sich über acht Staaten

Valeria Tsikava ist Teil des Vereins Chysto.de, der sich im Jahr 2020 gegründet hat, um etwas gegen die Umweltverschmutzung zu unternehmen. Chysto.de ist nicht etwa eine Webadresse mit deutscher Kennung. Der Name bedeutet übersetzt in etwa so viel wie: „Sauber. Wo?“ Die Gründerïnnen sind die Eheleute Olena und Roman Zhuk. Roman, das erzählt Valeria, habe Olena diesen einen Ort bei Mereshor gezeigt, ihr die Schönheit des Gebirges näherbringen wollen. Und Olena war geschockt – sowohl von der Schönheit als auch davon, was man ihr angetan hat.

Gemeinsam sah das Ehepaar die Notwendigkeit, dieses Paradies wieder zu einem solchen werden zu lassen. Olena nutzte ihren Geburtstag, um gemeinsam mit Freundïnnen am See zu picknicken und gleichzeitig aufzuräumen – so startete die Initiative. Seither hat es 22 solcher „Öko Picknicks“ gegeben, das 23. findet am 13. und 14. April statt.

Die Geschichte des Vereins ist also eine Liebesgeschichte – doch sie wird noch ein tragisches Ende nehmen.

Plastikflaschen im See.
Die Umweltverschmutzung in den ukrainischen Karpaten hat erhebliche Ausmaße erreicht.
Medikamente sind auch unter dem Müll im Wald.
Auch Krankenhäuser entsorgen ihren Müll in den Karpaten. Neben Medikamenten sind auch viele Spritzen zu finden.
Valeria Tsikava steht mit Megafon und Mülltüte im Wald.
Valeria Tsikava ist Mitglied des Vereins Chysto.de.
Menschen räumen einen vermüllten Waldboden auf
Die ukrainische Gruppe Chysto.de räumt seit 2020 in den Karpaten auf.
Roman Zhuk in Militärkleidung und Schutzweste.
Roman Zhuk während seines Militärdienstes.
Eine Frau hält den Deckel einer „7-Up“ Flasche in der Hand.
Anhand einer internen Studie will der Verein Chysto.de ermitteln, welche Konzerne welchen Anteil an der Umweltverschmutzung haben.
Ein blauer Stiefel im Gras [AI]
In den ukrainischen Karpaten wird die Natur von Unrat und Chemikalien bedroht.
Menschen reinigen mit verschiedenen Müllsäcken den Waldboden in den Karpaten.
Die Gruppe Chysto.de legt nicht nur Wert auf die Reinigung an sich. Auch die Mülltrennung ist ihnen wichtig.