Somalia: Warum ein Radiodirektor trotz aller Gefahren nicht aufgibt

Abukar Sheikh Mohamud glaubt an die Bedeutung der Medien für den Aufbau einer Demokratie

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
5 Minuten
Ein Mann Anfang 30, der sehr ernst in die Kamera guckt. Er wirkt traurig.

Das ostafrikanische Somalia gehört für Journalistinnen und Journalisten seit vielen Jahren zu den gefährlichsten Ländern auf dem afrikanischen Kontinent. Sie werden von der islamistischen Shabaab-Miliz bedroht und ermordet, aber auch von der Regierung verfolgt. Laut dem Comittee to Protect Journalists wurden seit 1992 mehr als 70 Medienvertreterïnnen getötet. Radiodirektor Abukar Sheikh Mohamud gibt trotzdem nicht auf.

Das erste, was an Abukar Sheikh Mohamud auffällt, ist die Traurigkeit, die ihn umgibt. Seine Worte dagegen sind frei von Gefühl, sachlich berichtet der Direktor des somalischen Radio- und Fernsehsenders Shabelle von Bedrohung, Verfolgung und Todesgefahr. Sieben Kolleginnen und Kollegen hat der 32Jährige verloren und beerdigen müssen, seit er 2010 bei Shabelle zu arbeiten begann. Noch einmal so viele Journalistïnnen des Senders wurden vor seiner Zeit dort ermordet. Mohamud hält Mitglieder der islamistischen Shabaab-Miliz für die Täter, und in vielen Fällen reklamiert die Terrorgruppe, die zum Al-Qaida-Netzwerk gehört, Morde an Journalistïnnen tatsächlich für sich. In einem Fall aber habe sie die Täterschaft von sich gewiesen. Wer den Mord tatsächlich verübt hatte, wurde nie geklärt. „In keinem der 14 Mordfälle wurde ermittelt, niemand wurde vor Gericht gestellt“, betont Mohamud.

Alltäglich auf der Flucht

Der Radiomacher lebt seit Jahren mit dem Wissen, dass er jederzeit der nächste sein kann. Um seine Wege möglichst unberechenbar zu machen, bleibt er in unregelmäßigen Abständen über Nacht im Sender. Für diese kleinen Fluchten hat er ein Zimmer: einen wohnlichen Raum mit etlichen Büchern, die Welt der Morde und des Machtkampfs scheint hier weit weg. An anderen Tagen findet Mohamud anderswo Unterschlupf, übernachtet bei Freunden. Auch andere Shabelle-Journalistïnnen bleiben immer mal wieder über Nacht im Sender, wechseln häufig ihre Wege und Unterkünfte, um es ihren Verfolgerïnnen möglichst schwer zu machen.

Die Namen der Toten

Viele laufen trotzdem in die Falle. Mohamud zählt die Namen aller 14 Toten auf, erzählt von den Umständen ihres Todes. Die Aufzählung dauert einige Minuten und ist zugleich eine Hommage an die Toten, die nicht nur Reporterïnnen waren, sondern teils auch Technikerïnnen. Gleichzeitig unterstreicht der Fluss der Namen, wie groß die Gefahr für ihn selber ist. Unter den Ermordeten sind drei seiner Vorgänger an der Spitze des Shabelle Media Network.

Gleich fünf bewaffnete Angreifer hatten Hassan Osman Abdi aufgelauert, als er am 28. Januar 2012 von der Arbeit nach Hause kam. Der 29Jährige starb im Kugelhagel. Der Kameramann Mustaf Abdi Noor berichtete am 1. November 2015 über den Angriff der Shabaab-Miliz auf das Sahafi-Hotel in Mogadischu. Der 23-Jährige suchte ausgerechnet hinter einem Auto Deckung, das vorher von der Terrorgruppe voll Sprengstoff geladen worden war und kurz darauf detonierte. Mohamud suchte die zerfetzen Überreste von Noors Körper zusammen und stand kurz darauf an seinem Grab.

Ein Blick über die Dächer der somalischen Hauptstadt, ein Häusermeer. Die Stadt wirkt bunt, weil viele Dächer aus rotem oder blauen Wellblech bestehen –  Außerdem gibt es viele Bäume. Die Stadt wirkt einladend und freundlich, trotz ihres schlechten Rufs. Am Horizont zeichnet sich eine Skyline ab.
Viele Dächer und Häuser in Mogadischu sind neu, wieder aufgebaut nach dem langjährigen Bürgerkrieg.
Häuser in Mogadischu an der Küstenlinie.
Die Altstadt der somalischen Hauptstadt Mogadischu ist noch immer von dem langen Bürgerkrieg gezeichnet.