Äthiopien: Amnesty-Auszeichnung für Äthiopischen Menschenrechtsrat EHRCO

Die Mitglieder der Organisation riskieren mit ihrer Arbeit ihr Leben.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
8 Minuten
Dan Yirga guckt freundlich in die Kamera. Er steht vor dem Fenster in einem Hochhaus, im Hintergrund sind weitere Hochhäuser zu erkenne.

Dan Yirga Haile sitzt im Café eines Hotels in der kenianischen Hauptstadt Nairobi und schaut sich nicht nach den anderen Gästen um. Jedenfalls nicht häufiger, als das auch andere Menschen tun. Stattdessen redet er konzentriert, nimmt nur gelegentlich einen Schluck von seinem Saft. In seiner Heimatstadt Addis Abeba wäre das so nicht möglich, sagt der 38-jährige Menschenrechtsaktivist. „Da könnten wir an einem öffentlich zugänglichen Ort nicht so frei sprechen.“ Dan ist geschäftsführender Direktor des Äthiopischen Menschenrechtsrats, kurz EHRCO. Und als solcher nicht nur bekannt, sondern auch gefährdet, ebenso wie die übrigen Mitglieder der Organisation. „In Äthiopien kann jederzeit alles passieren“, sagt er. „Ein Mitglied unserer Organisation wurde auf der Straße regelrecht exekutiert, andere verhaftet, im Gefängnis schwer gefoltert. Mir kann jederzeit das gleiche widerfahren.“

„Niemand will diesen Job machen, aber irgendjemand muss ihn übernehmen“

Das allgegenwärtige Risiko ist in seinem Leben wie ein Grundrauschen, das ihn nicht davon abhält, zu tun, was er für nötig hält. „Unter bestimmten Umständen hat man gar keine andere Wahl, als für grundlegende Werte zu kämpfen“, sagt er. „Jemand muss derjenige sein der sich dafür einsetzt, dass die Menschenrechte in Äthiopien künftig respektiert werden. Niemand will diesen Job machen, aber irgendjemand muss ihn übernehmen“, ist Dan überzeugt. Er und die übrigen Mitglieder des Äthiopischen Menschenrechtsrats haben sich dafür entschieden, „egal, wie hoch der Preis ist“. Das können Haftstrafen oder Misshandlungen sein, vielleicht auch der Verlust des Lebens. Dans Erklärung für seine Entscheidung klingt angesichts der Risiken überraschend schlicht: „Ich möchte, dass mein Heimatland für alle Menschen ein besserer Ort wird.“

Nur formal demokratische Regierung

Dafür setzt sich der Jurist seit 2005 ein. Auslöser war ein Bericht über schwere Unruhen nach den Parlamentswahlen, die im Mai 2005 stattgefunden hatten. Bei Demonstrationen gegen die formal demokratische, faktisch autoritäre Regierung wurden Anfang Juni 2005 mindestens 36 Menschen von Polizeikräften getötet, Hunderte verletzt. Tausende der vorwiegend jungen Demonstranten wurden in Lagern abseits der Hauptstadt Addis Abeba eingesperrt. Während Dan an einem der Protestmärsche durch die Stadt teilnahm, bekam er einen Bericht in die Hand gedrückt, in dem die Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung schonungslos kritisiert wurden. „Ich war wie elektrisiert“, erinnert er sich. „Ich habe mich gefragt: Wer sind diese Leute, die die Regierung so mutig zu kritisieren wagen? Ich wollte sie unbedingt kennenlernen und mich ihnen anschließen.“

Beraterïnnen für die junge Regierung

Verfasst hatte den Bericht der Äthiopische Menschenrechtsrat EHRCO, der zu diesem Zeitpunkt schon einige Jahre existierte. Gegründet wurde die Menschenrechtsorganisation im Oktober 1991 von dem damals 61-jährigen Geographie-Professor Mesfin Woldemariam und 31 seiner Kollegïnnen. Im Mai desselben Jahres hatten die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) zusammen mit der Eritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF) den langjährigen Militärdiktator Mengistu Haile Mariam gestürzt. Als die siegreichen Rebellen im Mai 1991 nach Jahren des Kriegs in die Hauptstadt Addis einmarschierten, hatte das ostafrikanische Land noch keinerlei Erfahrung mit der Demokratie, aber umso mehr mit brutalen Diktaturen und der blutigen Repression gegen die Bevölkerung. „Nach Mengistus Sturz waren alle voller Hoffnung, dass Menschenrechte von nun an gewahrt würden, dass Äthiopien demokratisch würde und ein Rechtsstaat“, erinnert sich Dan. Allerdings waren die neuen Machthaber ja gerade erst aus dem „Busch“ gekommen, also aus einem jahrelangen Krieg. „Sie kannten nur Kugeln und Granaten.

Dan Yirga sitzt in einem Café oder Restaurant, vor sich ein Laptop, Er schaut sehr freundlich in die Kamera.
Dan Yirga, geschäftsführender Direktor des Äthiopischen Menschenrechtsrats EHRCO.