Debatte: Was darf ein Medikament kosten?

Die Hersteller von Arzneimitteln gelten als profitgierig. Doch Medikamente zu entwickeln, ist aufwändig. Wie entstehen Preise, was ist gerechtfertigt? Eine neue Veranstaltungsform sollte das klären.

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Eine geöffnete Hand hält mehrere Tabletten, eine zweite ein Glas Wasser.

Wenn ein Kind schwer krank ist, muss die Gesellschaft eine lebensrettende Behandlung bezahlen. Ganz gleich, wie teuer das Medikament ist. Oder etwa nicht? Wie aber soll man festlegen, wie viel es kosten darf, dass ein Kind überlebt? Irgendeine Grundlage dafür muss es geben.

Wie Medikamentenpreise eigentlich entstehen und was ein gerechter Preis sein kann, darüber hat die Medizinjournalistin und Ärztin und Astrid Vicianomit mit interessierten Menschen und Experten im Juni 2022 zweimal in der Juristische Bibliothek der Stadtbibliothek München diskutiert.

Astrid Viciano arbeitete zuvor als Redakteurin bei der Zeit, sie war beim Stern und bei der Süddeutschen Zeitung tätig und berichtete aus Mexiko und den USA. Heute ist sie auf langfristige und oft investigative grenzüberschreitenden Recherchen spezialisiert. Als Stipendiatin der Masterclass Wissenschaftsjournalismus der Robert Bosch-Stiftung wollte sie über eines ihrer vielen Recherchethemen mit der Öffentlichkeit ins Gespräch kommen.

Medikamentenpreise: Ins Gespräch kommen

In der Juristischen Bibliothek in München wurde das Publikum zunächst auf das komplexe Thema eingestimmt, wie Medikamentenpreise eigentlich entstehen. In der folgenden Diskussion ging es aber um die ganz persönliche Einschätzung: Alle Teilnehmenden konnten mit einer grünen oder roten Murmel ihre Zustimmung oder ihren Widerspruch bei der jeweiligen Fragestellung signalisieren. Das Publikum konnte dann immer zwischen den beiden Farben wählen, die jeweilige Murmel nach jeder Fragerunde in verschiedene Glasbehälter, Blechdosen oder auf eine Apothekenwaage legen.

Ein langer Holztisch, darauf einige Karten mit nicht lesbaren Fragen, eine alt wirkende Apothekerwaage mit zwei Schalen, einige Münze und Säckchen mit roten und grünen Murmeln.
Interaktive Diskussion: Murmeln signalisieren Zustimmung oder Ablehnung

Insgesamt wurden fünf verschiedene Stationen angeboten – in jeder konnten die Teilnehmenden neu diskutieren und sich eine eigene Meinung bilden. Vor allem aber sollte man ins Gespräch kommen, etwa darüber, ob unsere Gesellschaft alle kostspieligen Therapien zahlen sollte, wie eine gerechte Medikamentenverteilung weltweit aussehen kann und ob tatsächlich alle Patienten weltweit sofort Zugang zu modernen, teuren Medikamenten haben sollten. Die Zielgruppe der Veranstaltung waren Laien, die sich für das Thema der Medikamentenpreise interessieren.

Am zweiten Abend lieferte Johanna Offe von der Organisation „Ärzte der Welt“ tiefere Einblicke in das Thema, das viele globale Perspektiven bietet. Offe ist bei der Nichtregierungsorganisation für die politische Arbeit zuständig. In Anschluss diskutierte sie mit dem Publikum über Ursachen und Folgen hoher Medikamentenpreise und suchte nach möglichen Lösungen.

Interessiertes Publikum und neue Termine

„Ich fand es sehr lehrreich, mir für die fünf verschiedenen Stationen des interaktiven Diskussionsabends konkrete Fragen zu überlegen“, sagt Astrid Viciano. „Dazu kam die passende Dekoration der Tische gut an.“ Sie hatte jeden Tisch je nach Themenaspekt und Fragestellung entsprechend optisch gestaltet: mit Babykleidung und Schnuller, mit Apothekenwaage, mit indischen Motiven, wenn es um die gerechtere Verteilung in Entwicklungsländern ging.

Historischer Lesesaal mit Holzregalen auf drei Ebenen, an Tischen mehrere Menschen, eine Leinwand.
Vortrag und Diskussion in der Juristischen Bibliothek in München

Das Publikum erlebte die Journalistin, die selbst durch das Programm führt, als sehr offen: „Viele waren überrascht, wie vielseitig und interessant das Thema der hohen Medikamentenpreise ist – und wie viele verschiedene Aspekte es dabei zu berücksichtigen gibt.“

Astrid Viciano zieht insgesamt eine positive Bilanz. „Ich denke, das Format eignet sich sehr gut für eine Fachbibliothek wie die Juristische Bibliothek. Gern würde ich wieder mit den Kolleginnen und Kollegen dort zusammenarbeiten. Die Veranstaltung soll auch zukünftig über den Service „RiffLive“ der RiffReporter angeboten werden, zum Beispiel für Konferenzen, Workshops oder weitere Veranstaltungen in Bibliotheken.

Die Masterclass Wissenschaftsjournalismus 2020–2022 wird gefördert von der Robert Bosch Stiftung.

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