Deportationen in der NS-Zeit: „Für die Betroffenen war das ein absoluter Zivilisationsbruch!“

Lesetipp: Die Münchner Historikerin Andrea Löw hat ein beeindruckendes Werk über die Deportationen deutschsprachiger Juden und Jüdinnen in Ghettos in Osteuropa während der NS-Zeit vorgelegt. Sie zeigt, wie die Menschen schrittweise alles verloren – und doch ihre Würde bewahrten.

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Historische Aufnahme mehrerer Jüdinnen und Juden, die sich für das Foto vor ihrer Deportation aufgestellt haben.

Wer kümmert sich jetzt um den Kanarienvogel? Am 12. Februar 1940 holten Polizisten in der Stadt Stettin im besetzten Polen mitten in der Nacht Jüdinnen und Juden aus ihren Wohnungen. Die überrumpelten Bewohner mussten sich anziehen und je einen Koffer mit dem Nötigsten packen. Die Jüdin Else Meyring hat dies später dokumentiert und dabei festgehalten, dass ihr Mann die gemeinsame Vertreibung weitgehend schweigend über sich ergehen ließ. Erst als er sich ein Pappschild mit seinem Namen um den Hals hängen sollte, habe er geschrien: „Nein, das tue ich nicht. Ich bin kein Verbrecher.“ Und bevor sie ihr Haus endgültig verließen, fragte er die beiden Uniformierten nach dem Verbleib des Kanarienvogels, den das Ehepaar mitsamt ihrem alten Leben zurücklassen musste.

Eine weiße Frau mit dunklen Haaren steht lächelnd vor einer Betonwand. Sie trägt einen blauen Blazer und ein türkises Shirt.
Die Historikerin Andrea Löw hat mit „Deportiert. Immer mit einem Fuß im Grab“ ein Buch über die Deportationen während der NS-Zeit geschrieben.
Coverfoto des Buchs „Deportiert“, auf dem eine historische Aufnahme von Jüdinnen und Juden zu sehen ist, die sich für das Bild aufgestellt haben.
Wie erlebten deutschsprachige Jüdinnen und Juden die Deportation vom ersten Bescheid über die Sammelstelle und die Zugfahrt bis zum Leben im Ghetto? Die Historikern Andrea Löw lässt die Menschen selbst zu Wort kommen.