„Die Zukunft ist da!“

Manchen Science-Fiction-Autoren wird Hellseherei zugeschrieben: vom Internet über die künstliche Intelligenz bis zur virtuellen Realität – sie haben vieles vorhergesagt, was es heute gibt. Oder ist es andersherum: Forscher bauen das nach, was sie aus dem Roman kennen? Zwei Laborbesuche in Japan legen das nahe.

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Ein Kommunikator aus der Science-Fiction-Serie Star Trek aus den 1960er Jahren. Damals nicht mehr als ein schwarzes Stück Kunststoff mit einer goldenen Gitter-Abdeckung, kleinen Knöpfen und blinkenden Lichtern, so war es doch die Vorlage für das erste Klapphandy von Motorola.

Wer eine Zeitreise in die Zukunft des Menschen und gleichzeitig die Geschichte der Science-Fiction-Literatur antreten will, der muss in Tokio eine geheime Tür finden. Ein Doktorand der Tokio University holt die Journalistin an einer U-Bahn-Station ab, huscht um einige Straßenecken und schließlich eine Treppe hinunter in einen Keller ohne Klingel und Türschild. Wer hier anklopft, steht plötzlich in einem der berüchtigtsten Labors in der weltweiten Szene rund um das, was viele Forscher als unsere Zukunft bezeichnen: der sogenannte erweiterte Mensch. Diese Vision geht weit hinaus über Roboter, die unsere Arbeit übernehmen. Es ist die Vision einer Verschmelzung von Mensch und Maschine.

Hinter der Kellertür verbirgt sich das Labor von Jun Rekimoto. Seinen Namen hauchen hier alle nur ehrfürchtig. Der Professor der Tokio University gilt als der Begründer der Idee des „erweiterten Menschen“, auf Englisch „augmented human“. Kaum eine Konferenz zu diesem Thema kommt ohne einen Vortrag von ihm aus, er soll den Begriff gar erfunden haben. Für Namen hat er ein Händchen: Sein Labor heißt „Laboratoire Révolutionnaire et Romantique“ – Revolutionäres und romantisches Labor. Er hat Aufkleber gedruckt und bunte Broschüren, die Menschen mit allerlei technischen Erweiterungen zeigen.

Viele davon haben Namen aus Science-Fiction-Romanen. „Jackin-Head“ beispielsweise geht zurück auf William Gibson Klassiker „Neuromancer“. Der Science-Fiction-Autor wurde oft als eine Art Hellseher bezeichnet, er habe unter anderem das Internet vorhergesagt, Computerbrillen, selbst lernende künstliche Intelligenz, autonome Autos und den Cyberspace. All das kam in seinen Romanen vor, lange bevor Forscher davon sprachen. Immer wieder heißt es, gute Science-Fiction-Autoren könnten besonders gut die Zukunft prognostizieren. Captain Kirk „telefonierte“ beispielsweise in Star Trek auch schon Anfang der 1970er Jahre mit seinem Communicator, einem Gerät, das den ersten Motorola-Handys verdächtig ähnlich sah – nur, dass es damals noch keine Mobiltelefone gab. Eine perfekte Vorhersage der Zukunft.

Doch wer in dieses Labor in Tokio kommt, kommt nicht umhin sich zu fragen, ob Science-Fiction Autoren nicht vielmehr die Zukunft gestalten anstatt sie vorherzusagen. Rekimotos Vorbild William Gibson hat auch die Fähigkeit vorhergesagt, einen menschlichen Körper zu übernehmen. Und genau daran arbeitet Rekimoto.