Medizinstudium: Wie ein Student die Ausbildung geschlechtergerechter machen will

Nur an zwei Medizinfakultäten in Deutschland ist Gendermedizin schon fest in den Lehrplan integriert. Viele Studierende wissen kaum etwas über das Thema. Der Studierendenvertreter Sebastian Paschen will das ändern.

vom Recherche-Kollektiv Der andere Körper:
6 Minuten
Ein junger Mann in einem weißen Hemd steht an einem Rednerpult mit Mikrofonen. Er trägt ein Namensschild, vor ihm steht ein Laptop. An die Wand hinter ihm sind Namen projiziert, offenbar die Autor*innenliste eines wissenschaftlichen Papers.

Viele Krankheiten äußern sich bei Männern anders als bei Frauen, Medikamente wirken je nach Geschlecht oft unterschiedlich, Chromosomen und Geschlechtshormone beeinflussen unser Immunsystem – aber an den meisten deutschen Universitäten kann man problemlos ein ganzes Medizinstudium absolvieren, ohne je auf all das aufmerksam gemacht zu werden. Sebastian Paschen, 22 Jahre alt und Medizinstudent im 7. Semester an der Uni Greifswald, will das ändern. Er hat deshalb das Projekt „Geschlecht in der Medizin“ innerhalb der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) gegründet.

Herr Paschen, wie sind Sie auf das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Medizin aufmerksam geworden?

Ich sitze im Ausschuss der Medizinstudierenden im Hartmannbund, einem Berufsverband für Ärzt*innen. Dort gab es im März 2020 einen Online-Workshop zum Thema Geschlechtsspezifische Medizin. Ich war damals im zweiten Semester und hatte noch nie etwas von dem Thema gehört. Studierende anderer Unis haben erzählt, dass es nirgendwo gelehrt wird. Das fand ich erschreckend und wollte gar nicht glauben, dass es hier in Greifswald auch so ist. Aber es ist so. Im Studium lernt man Symptome, Diagnostik – alles am Beispiel des männlichen Patienten, der als Schema F dient für jede Person, die einem dann gegenübersitzt. Gemeinsam mit zwei Kommiliton*innen habe ich Ende 2021 in Greifswald eine Lokalgruppe „Geschlecht in der Medizin“ gegründet und parallel dazu auch der Bundesvertretung der Medizinstudierenden ein Projekt dazu vorgeschlagen, das im Mai 2022 gestartet ist.

Im August 2021 hat die Gruppe gemeinsam mit dem Deutschen Ärztinnenbund einen Offenen Brief an den Medizinischen Fakultätentag, den Dachverband der Medizinfakultäten, geschrieben. Sie fordern darin ein verpflichtendes Querschnittsfach Gendermedizin im Medizinstudium. Wie waren die Reaktionen?

Vom Medizinischen Fakultätentag kam nie eine Rückmeldung. Bis heute nicht.

Wie war das für Sie?

Wir hatten natürlich gehofft, dass zumindest eine Stellungnahme kommt. Aber wir waren nicht sehr überrascht. Traurigerweise.

Im Berufsverband sind Sie aber auf mehr Interesse gestoßen?

Ja, wir Studierenden haben dem Hartmannbund eine Seminarreihe zu dem Thema vorgeschlagen, und die Initiative wurde gleich angenommen. Von Januar bis Dezember 2022 gab es jeden Monat eine Online-Veranstaltung.

Ein Porträt eines jungen Mannes in einem dunkelroten Kapuzenpullover. Auf dem Pullover ist ein Logo mit dem Text „Fachschaftsrat Medizin“ zu sehen. Das selbe  Logo ist auch hinter ihm an die Wand gemalt.
Als Studierendenvertreter hat Sebastian Paschen sowohl an seiner Uni in Greifswald als auch in der Bundesvertretung der Medizinstudierenden Projekte zu „Geschlecht in der Medizin“ gestartet.