Weinerliche Mädchen, harte Jungs: Wie Vorurteile der Gesundheit von Kindern schaden

Wer bekommt das Bett in der überlasteten Kinderklinik? Das hängt auch davon ab, wie ernst Erwachsene die Schmerzen eines Kindes nehmen. Aber Studien in den USA haben gezeigt, dass bei solchen Einschätzungen Geschlechter-Stereotypen mitentscheiden

vom Recherche-Kollektiv Der andere Körper:
3 Minuten
Ein kleines Kind, dessen Geschlecht nicht eindeutig erkennbar ist, sitzt in einem Gitterbett und weint

Ein fünfjähriges Kind sitzt auf dem Schoß seines Vaters. Es trägt ein rotes T-Shirt, Shorts, die halblangen blonden Haare fallen ihm ins Gesicht. »Au!«, ruft das Kind, als eine Arzthelferin ihm Blut aus der Fingerkuppe abnimmt, »au! au!«, dann jammert es noch ein bisschen vor sich hin.

Diesen Videoclip, 58 Sekunden lang, zeigten der Psychologieprofessor Lindsey L. Cohen von der Georgia State University und sein Team 183 Studierenden. Dann baten sie die eine Hälfte der Proband*innen, anzugeben, als wie stark sie die Schmerzen der kleinen Samantha einschätzten. Die andere Hälfte fragten sie, wie stark die Schmerzen des kleinen Samuel gewesen seien. Das Ergebnis der 2014 veröffentlichten Studie: Auf einer Skala von 1 bis 100 wurden Samuels Schmerzen im Durchschnitt bei 65,15 eingeordnet – die von Samantha nur bei 58,75, also als signifikant schwächer. Dabei hatten alle Teilnehmer*innen dasselbe Video desselben Kindes gesehen.

Überlastete Kinderärzt*innen müssen schnell entscheiden

Wie stark unsere Schmerzen sind, beeinflusst, welche Diagnosen, welche Behandlung, welche Medikamente wir bekommen. Das gilt für Kinder genauso wie für Erwachsene. Aber es gibt keine »objektive« Methode, Schmerz zu messen. Wie Ärzt*innen und Pfleger*innen uns behandeln, hängt davon ab, wie sehr sie unseren subjektiven Angaben vertrauen.