Spix-Aras: Nach 22 Jahren sind die blauen Papageien zurück in der Natur

Wie läuft das einzigartige deutsch-brasilianische Artenschutzprojekt? Ein Interview mit den zwei Verantwortlichen Camile Lugarini und Martin Guth

16 Minuten
Die erste freigelassene Gruppe Spix-Aras erkundet die Umgebung der Auswilderungsvoliere – mit Sendehalband

Senhora Lugarini, Herr Guth, im Juni haben Sie die ersten acht Spix-Aras in der brasilianischen Caatinga ausgewildert. Wie ist es der Gruppe seither in Freiheit ergangen?

Bild zeigt das Spix-Team: die Tierärtzin Camile Lugarini von der brasilianischen Naturschutzbehörde ICMBio und Martin Guth, Papageienzüchter und Gründer des deutschen Artenschutzvereins ACTP
Das "Team Spix": die Tierärtzin Camile Lugarini von der brasilianischen Naturschutzbehörde ICMBio und Martin Guth, Papageienzüchter und Gründer des deutschen Artenschutzvereins ACTP

Martin Guth: In den ersten Wochen lief alles super. Direkt nach der Freilassung drehten die Spixe kleine Runden um die Auswilderungsvoliere und kamen abends wieder zum Schlafen zurück. Dann wurden ihre Runden größer. Die Idee ist, sie erstmal nahe bei der Voliere zu halten, bis sie sich an das Leben in der Wildnis gewöhnen und lernen, wie sie sich etwa vor Raubvögeln schützen. Daher füttern wir sie dort morgens und mittags.

Bild zeigt den ersten Spix-Ara, der sich aus dem aus der offenen Voliere in die Freiheit wagt und auf der Futterplattform landet. Weitere sieben folgten ihm, im Dezember wurden zwölf Vögel wiederausgewildert.
Der erste Spix, der sich im Juni 2022 aus der offenen Voliere in die Freiheit wagte. Sieben folgten ihm, im Dezember wurden zwölf weitere Vögel wiederausgewildert

Sie haben aber schon bald nach ihrer Ankunft begonnen, die Früchte der umliegenden Bäume zu futtern. Auch warnen sie sich gegenseitig mit einem Schrei, wenn Falken oder Habichte am Himmel erscheinen. Dass sie sich so schnell an das Leben in freier Natur angepasst haben, hat uns selbst erstaunt. Wir waren total happy!

Auf den Fotos sieht man, dass die Papageien ein Band um den Hals tragen. Sind das Sender?

Camile Lugarini: Ja, wir haben ihnen die Halsbänder kurz vor der Auswilderung angelegt, weil wir nicht wussten, wie weit sie sich entfernen – und damit wir sie gegebenenfalls wiederfinden können. Unser Monitoring-Team checkt mehrmals täglich, ob die Spixe zum Futtern und Schlafen zur Voliere zurückgekehrt sind, und falls nicht, machen sie sich auf die Suche.

Bild zeigt eine Frau, die mit einer Antenne versucht, das Signal eines Spix-Aras zu detektieren.
Wo ist das Signal? Um die Wege der ausgewilderten Spix-Aras nachverfolgen zu können (und Ausflügler wiederzufinden) ist ein ganzes Monitoring-Team beschäftigt

Die Einheimischen tauschen sich per WhatsApp über die Spixe aus

Guth: Im August entfernte sich ein Spix von der Gruppe, und wir verloren seine Spur.

Lugarini: Aber wir haben Hoffnung, dass er lebt! Mehrere Bewohner der umliegenden Farmen haben ihn fliegen sehen, zusammen mit einem Schwarm Blaukopfsittichen, in gut fünf Kilometern Entfernung der Station. Sie haben das in der WhatsApp-Gruppe gepostet, in der sich hier viele Locals über die Spixe austauschen. Offenbar fühlt sich der Vogel bei den anderen Papageien wohl und kann sich selbst ernähren. Ich selbst habe ihn aber nicht mehr gesehen.

Auf dem Quad bringt Cromwell Purchase, Leiter der Auswilderungsstation in der Caatinga, den Spix-Aras zweimal täglich Futter in die Voliere
Essen auf Rädern: Auf dem Quad bringt Cromwell Purchase, Leiter der Auswilderungsstation in der Caatinga, den Spix-Aras zweimal täglich Futter in die Voliere
Foto zeigt die Futternäpfe mit Körnern und frischen Früchten.
Nur das beste für Gäste: Jede Mahlzeit wird von Stationsleiter Cromwell Purchase aus Körnern, frischen Früchten und Gemüse zusammengemischt
Foto zeigt die Reste eines Spix-Aras: ein Stück Schnabel. Der Papagei wurde von einem Raubvogel gerissen.
Natur heißt auch fressen und gefressen werden: Dieser Spix wurde das Opfer eines Greifvogels. Neben seinem Schnabelrest fand das Monitoring-Team das Sendehalsband und den Fußring
Bild zeigt acht ausgewilderter Spix-Aras auf einem Baum in der brasilianschen Caatinga
Nach 22 Jahren zurück in der Natur: die erste Gruppe ausgewilderter Spix-Aras. An ihren Hälsen hängen Peilsender
Bild zeigt ein buntes Wandgemälde mit einem Spix-Ara im brasilianischen Örtchen Curaca
Ein Örtchen im Spix-Fieber: Curaca im Nordosten Brasiliens
Bild zeigt die Tankstelle in Curaca, Brasilien, wo eine große Spix-Skulptur die Leute begrüßt
Willkommen in Spix-City: Die Tankstelle am Ortseingang von Curaca macht klar, wer hier der Held ist
Bild zeigt ein Pärchen blau schimmernder Spix-Aras
Spix-Aras im Schmusemodus (hier im Käfig). Doch auch in freier Natur haben sich bereits Pärchen gebildet
Bild zeigt einen Rotrückenara auf einem Baum in der brasilianischen Caatinga
Freund & Vorbild der Spixe: die Rotrückenaras
Bild zeigt einen Flusslauf in der brasilianischen Caatinga mit hohen Bäumen – potentielle Nistbäume für die Spixe
Nur entlang der Bachläufe stehen in der Caatinga noch potentielle Nistbäume für die Spixe. Daher wird im Schutzgebiet um die Auswilderungsstation aufgeforstet
Man sieht die Christusstatue in Rio de Janeiro in Spix-Blau
Zur Feier der 1. Wiederauswilderung leuchtete die Christus-Statue von Rio in Spix-Blau
Spix-Ara (Cyanopsitta spixii)
Aufzucht von Jungvögeln (weiße Schnabelkante) 
durch Biologin Katrin Scholtyssek 
Zuchtanlage des ACTP (Association for the Conservation of Threatened Parrots)
Tasdorf bei Berlin 
Juli 2021
Hübsch werden sie später; Die kleinen Spix-Küken schlüpften in der Aufzuchtstation des ACTP in Tasdorf aus dem Ei. Sie werden großgepäppelt und dürfen später auch in die Caatinga

Riffreporterin Katja Trippel besuchte im Februar 2022 im Auftrag von GEO die Auswilderungsstation in der Caatinga, Fotograf Klaus Nigge begleitete die erste Auswilderung im Juni. Ihre Reportage erschien im Oktober (Heft 11), seither verfolgen beide das Projekt mit großem Interesse weiter.