PFAS lagern auch im Schnee der Arktis – eine Chemikalie reist um die Welt

Deutschland regt ein EU-weites Verbot von perfluorierten Kohlenwasserstoffen an. Das ist überfällig, denn die Chemikalie hat längst jeden Winkel der Erde erreicht. Welche Auswirkung die globale Verbreitung auf die Umwelt und den Menschen hat, ist kaum bekannt.

vom Recherche-Kollektiv Countdown Natur:
6 Minuten
Gipfel mit Schnee auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen (Svalbard). Auch in dieser unberührten Landschaft finden sich Umweltgifte.

Manche Forschende bezeichnen das Fettgewebe und das Blutplasma der Eisbären als eine Art Gedächtnis für die Umweltsünden der Menschen. Trotz der Abgeschiedenheit der Arktis finden WissenschaftlerInnen in den Tieren bei der Suche nach Giftstoffen regelmäßig Rückstände von Chemikalien aus unserem Alltag. Die künstlichen Substanzen haben den weiten Weg von uns zum Nordpol geschafft.

PFAS im Blut von Eisbären

Der Toxikologe Jonathan Martin von der Stockholmer Universität hat schon 2018 seine Analysen zum Blutplasma der Eisbären vorgestellt. Sie sind noch immer aktuell, weil eine neue Debatte um das Verbot der PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) entbrannt ist.

Deutschland möchte den Einsatz der gesamten Substanzklasse EU-weit verbieten. Hinter der Sammelbezeichnung PFAS stecken mehrere tausend Stoffe, die sehr nützliche Eigenschaften für VerbraucherInnen haben: Sie sind wasser-, schmutz- und manchmal auch fettabweisend. Deshalb werden sie seit Jahrzehnten weltweit ohne größeren Protest verwendet.

Jonathan Martin hat PFAS-Spuren in zahlreichen Blutproben der Eisbären nachgewiesen. Die ältesten davon stammten aus dem Tiefkühler und waren schon in den 1980er Jahren eingefroren worden. Die alarmierende Botschaft des Toxikologen lautete schon vor fünf Jahren: Die Konzentration der Industriechemikalie im Eisbärblut hat sich binnen acht Jahren etwa verdoppelt. Bei Bären aus der kanadischen Beaufortsee verdoppelte sich die Belastung sogar innerhalb von nur vier Jahren. Diese Region des Nordpolarmeers wird besonders intensiv von Luftmassen beeinflusst, die aus China stammen.

Umweltgifte im Schnee der Arktis

Dass es sich dabei nicht um einen Zufall handelt, zeigen die Ergebnisse von William Hartz, Umweltforscher an der britischen Universität Oxford. Er fand in einem zwölf Meter langen Bohrkern aus arktischem Schnee, der zwischen 2006 und 2019 auf der Inselgruppe Spitzbergen eingefroren war, gleich 45 verschiedene PFAS-Substanzen. Einige Vertreter davon – etwa Perfluorctansulfonsäuren oder Trifluoressigsäure – finden sich auch im Schmelzwasser der Schneemassen. Das ist interessant, denn dann können sie nach jahrelanger Lagerung im Eis in die Umwelt zurückkehren.

In einem Gefäß mit Trichter auf dem Dach der deutschen Forschungsstation werden Niederschläge gesammelt und auf Umweltgifte untersucht.
Auf dem Dach der deutschen Forschungsstation in Ny Alesund auf Spitzenbergen werden ständig Umweltproben gesammelt, die Aufschluss geben, wie weit sich Gifte verbreitet haben,
Mehrere Messgeräte auf dem Dach der deutschen Forschungsstation auf Spitzbergen
24 Stunden einsatzbereit: Die Apparaturen zur Umwelt-, Wetter- und Atmosphärenbeobachtung auf dem Dach der deutschen Station auf Spitzbergen.