Nur Drogen werden aussortiert

Das „Unclaimed Baggage Center“ in Alabama verkauft Gepäck, das Reisende auf USA-Flügen verlieren.

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Ein Mitarbeiter des Bodenpersonals hält Signalstäbe in die Höhe, um ein Flugzeug einzuweisen.

Hinweis: Dieser Artikel wurde im Frühjahr 2020 erstmals veröffentlicht. Eventuell sind bestimmte Zahlen und Daten nicht mehr aktuell.

Eric Rebarchik kann sein Glück kaum fassen. Eigentlich wollte der 47-jährige Familienvater nur ein Geburtstagsgeschenk für seine Tochter finden. Doch dann das: ein Unterhemd mit verstärkter Innentasche.

„Das ist ja der Wahnsinn“, freut sich der Mann, der mit seinen sorgsam frisierten grauen Haaren dem Bestseller-Autor Frank Schätzing ähnelt. „Ich wusste gar nicht, dass es solche Klamotten gibt“, sagt er euphorisch. Die Innentasche sei „superpraktisch für alle, die verdeckt eine Waffe tragen möchten.“ Und damit auch für ihn.

Solche Sätze, die für europäische Ohren erst mal befremdlich klingen, gehen Rebarchik leicht über die Lippen. Er lebt in Scottsboro, einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Alabama, in der Waffen zum Alltag gehören.

„Superpraktisch für alle, die verdeckt eine Waffe tragen möchten.“

Die Menschen dort sind schon immer mit ihren Gewehren in die Berge gefahren, um auf die Jagd zu gehen. Unten, in der Stadt, muss die verdeckt getragene Pistole genügen – um sich verteidigen zu können, wie es hier heißt. Eine Mentalität, die trotz aller Schießereien in den USA noch immer sehr lebendig ist.

Der Ort, an dem Rebarchik mit seiner Tochter shoppen geht, ist das Unclaimed Baggage Center. So heißt ein lagerhallengroßer Komplex, in dem verloren gegangenes Fluggast-Gepäck verkauft wird. Statistisch gesehen gehen in den USA nur 0,03 Prozent aller Rollkoffer, Rucksäcke und Tragetaschen verloren, die Passagiere mit an Bord nehmen.

Doch in einem Land, in dem täglich fast drei Millionen Menschen ein Flugzeug betreten oder verlassen, ergibt selbst ein Promillewert eine riesige Menge. 90 Tage haben Passagiere normalerweise Zeit, ihre Habseligkeiten bei der Airline geltend zu machen und wieder abzuholen. Alles, was danach noch übrig ist, landet in Scottsboro.

Ein grauhaariger Mann betrachtet ein Unterhemd in einem Supermarkt.
Volltreffer: Eric Rebarchik hat ein Unterhemd ergattert, in dem man eine Waffe verstecken kann.
Ein Parkplatz vor einem Warenhaus.
Unspektakuläre Fassade, interessanter Inhalt: Im „Unclaimed Baggage Center“ wird alles verkauft, was in Flugzeugen liegen bleibt.
Ein Kleiderständer, an dem ein Schild hängt: „Unclaimed Cargo“
Verkaufsraum im Unclaimed Baggage Center
Ein Regal mit Schuhen.
Keine Angst vor Schweißfüßen: Die Fundstücke werden vorab alle gewaschen.
Eine Frau Anfang 60 schiebt einen prallgefüllten Einkaufswagen durch ein Warenhaus.
Edith Carrington sucht bunte, afrikanische Kleider – und wird fündig.
Eine Frau hockt neben einer Schmuckvitrine.
Nicht nur Ramsch, sondern auch Schmuck und Uhren für mehrere Tausend Dollar kann man erwerben.
Nahaufnahme einer jungen blonden Frau.
Firmensprecherin Branda Cantrell. Wie viele Fundstücke pro Jahr in Alabama landen, verrät sie nicht.
Blick in den Verkaufsraum eines Warenhauses.
Handtaschen, Sonnenbrillen, Portmonees: In Scottsboro gibt es nichts, was es nicht gibt.
Eingang eines Kaufhauses.
Die Fahnen dürfen nicht fehlen: Unclaimed Baggage Center im US-Bundesstaat Alabama