Wahlen in Frankreich: Jetzt machen die Linken den Unterschied

Viele hatten es befürchtet. Marine Le Pen wird in der Stichwahl am 24. April gegen Emmanuel Macron antreten. Hintergründe und eine Antwort auf die Frage: Und wenn sie wirklich gewinnt?

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Wahlplakate der Kandidat*innen

Mit 7 Prozent für Éric Zemmour und 24 Prozent für Marine Le Pen spricht sich ein Drittel der französischen Bevölkerung für die Rechtsextremen aus. Aber noch eine Zahl sorgt für lange Gesichter: 12 Millionen Menschen, 25 Prozent der Bevölkerung, haben sich enthalten. Das ist die niedrigste Beteiligung seit 2002. Dabei hatte die Regierung alle Hürden aus dem Weg räumen wollen: Selbst Menschen mit positivem Corona-Testergebnis durften wählen. Ohne Maske. Die einen protestieren mit Enthaltung gegen das System, die anderen mit ihrer Stimme. Klar ist: Der Wahlausgang am 24. April liegt nun in den Händen der linken Wählerschaft, die sich entscheiden muss. Enthalten? Oder Emmanuel Macron wählen? Nicht aus Überzeugung, sondern nur um Marine Le Pen die Tür des Élysée-Palastes vor der Nase zuzuschlagen.

10 April, 20.00 Uhr: Der Nachrichtensender TF1 spielt wenige Sekunden vor der Veröffentlichung der Wahlergebnisse dramatische Musik ein, während Frankreich ungeduldig auf den Fernsehbildschirm schaut. Die Umfragewerte der letzten Wochen hatten es bereits angekündigt, nun ist es Gewissheit. Nur noch wenige Prozentpunkte trennen die Kandidatïnnen der kommenden Stichwahl: 28 Prozent der Französinnen und Franzosen stimmten gestern für den scheidenden Präsidenten Emmanuel Macron, 23 Prozent für die Herausforderin Marine Le Pen.

Aus den Reihen der Verliererïnnen meldet sich die Pariser Bürgermeisterin und Sozialistin Anne Hidalgo, die vernichtende 1,9 Prozent der Stimmen auf sich vereinte, als Erste zu Wort. Mit einer klaren Nachricht: Gegen den Rechtsextremismus von Le Pen und für Emmanuel Macron. Auch die konservative Valérie Pécresse, Fabien Roussel, Kandidat der kommunistischen Partei, und Yannick Jadot der französischen Grünen, die alle weniger als 5 Prozent der Stimmen holten, werden für Macron stimmen. Letzterer sagt aber auch klar: Die Umwelt hat in dieser Wahl schon verloren. Um einen Rechtsruck zu verhindern, plädiert er für Emmanuel Macron. Gleichzeitig appelliert er, dem Klima durch die Parlamentswahl Mitte Juni das nötige Gehör zu verschaffen. Das deckt sich mit der Meinung vieler Menschen in Frankreich: Sie wollen Emmanuel Macron nicht wählen, weil sie seine Politik gut finden, sondern um Le Pen den Weg in den Élysée-Palast zu versperren.

Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon holte mit 21 Prozent den dritten Platz. Ein gutes Ergebnis für seine Partei „La France Insoumise“, aber nicht gut genug, um sich für die zweite Runde zu qualifizieren. In seiner Rede wiederholte er mehrmals „Il ne faut pas donner une seule voix à Marine Le Pen.“ (Auf Deutsch: “Man sollte Marine Le Pen keine einzige Stimme geben!”) Er appellierte somit nicht direkt an seine Wählerïnnen, für Emmanuel Macron zu stimmen.

Nur Éric Zemmour sagte seine Unterstützung für Marine Le Pen zu und mobilisierte seine Wählerschaft, es ihm gleich zu tun. Marion Maréchal, die Nichte Le Pens, die ihrer Tante vor einigen Wochen den Rücken kehrte und sich der Kampagne Éric Zemmours anschloss, fand dramatische Worte: „Emmanuel Macron ist der Feind Nummer eins.“

Eines wird nach diesem ersten Wahlgang ganz deutlich: Frankreich ist zerrütteter denn je. Schwierige Jahre liegen hinter den französischen Bürgerïnnen: Terror, Gelbwesten und die Pandemie. Doch auch die Zukunft wird wohl kein Zuckerschlecken. Wird Emmanuel Macron wiedergewählt, können Deutschland und Europa aufatmen. Doch für viele Französinnen und Franzosen ist damit noch nichts gewonnen. Er müsste seinen innenpolitischen Regierungsstil und geplante Reformen überdenken, um erneute Proteste zu verhindern. Politik-Expertïnnen warnen bereits: Er sollte jetzt nicht den Fehler begehen, die Menschen, die nicht aus Überzeugung, sondern aus Protest gegen Le Pen wählen, nach einem möglichen Wahlsieg zu vergessen. Doch was kommt auf Frankreich und Europa zu, wenn tatsächlich Marine Le Pen gewinnt?