Überkommene Deutungsmacht – oder wie die peruanische Archäologie ihren Blick dekolonialisiert

Die peruanische Archäologin Maria Fernanda Boza Cuadros interessiert sich für Menschen und Ereignisse, die von der Geschichtsschreibung ignoriert wurden

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
10 Minuten
Blick auf eine Bucht mit türkisblauem Wasser, dahinter die braune, trockene Wüste

Ihr Schwerpunkt liegt auf der historischen und anthropologischen Archäologie. In ihrer Arbeit verfolgt Boza Cuadros, die an der Universität von Syracuse promovierte, kritische und dekoloniale Ansätze. Diese betreffen nicht nur ihr eigenes Forschungsdesign für Ausgrabungen, sondern bewerten auch sogenannte peruanische Fälschungen aus dem 19. Jahrhundert neu, die sich im Besitz europäischer Museen befinden.

Ein Gespräch über koloniale Handelsbeziehungen, Frauen in der Archäologie, alternative Interpretationen und „Neo-Antiquitäten“.

Maria Fernanda Boza Cuadros, wann haben Sie Ihre letzte Forschungsreise gemacht?

Maria Fernanda Boza Cuadros: Die letzte Feldforschung habe ich im November 2021 unternommen, an der Küste von Arequipa in der Bucht Cocotea-Amoquinto im Süden Perus. Wir hatten einen kurzen fünfwöchigen Aufenthalt. Dabei ging es um die Vermessung des Gebietes mit Drohnen.

Ich hatte hier schon für meine Dissertation gearbeitet, und wir stellten fest, dass inzwischen einige der Stätten stark geplündert und zerstört worden waren. Also haben wir uns beeilt, das zu dokumentieren und führten weitere Ausgrabungen durch.

Dabei stellten wir fest, dass die Plünderer einen Metalldetektor verwendet haben. Und jedes Mal, wenn der Detektor ausschlug, haben sie ein Loch in den oberen Teil der Stätte gegraben. Natürlich findet man eine Menge Metall, darunter auch einen Metalleimer aus dem Jahr 1880. Aber durch ihre Plünderungen fanden wir oben auf einer Seite der Schlucht noch einige Gräber, von denen wir vorher nichts gewusst hatten. Die Grabräuber waren auf der Suche nach dem „Piratenschatz“ [also reichen Grabbeigaben, Anm. Red.], haben ihn aber nicht gefunden.

Junge Frau mit großer Sonnenbrille, im Hintergrund das Meer
Die Archäologin Maria Fernanda Boza Cuadros bei der Arbeit an der Pazifikküste in Südperu.
Figur mit einer prägnanten Gesichtszügen in einer forensischen Gesichtsrekonstruktion, geschmückt mit einem goldenen, halbmondartigen Kopfschmuck, Ohrgehängen und einer Brustkette aus silbernem und goldenem Schmuck
Forensische Rekonstruktions des Gesichts des Herrn von Sipán (El Señor de Sipán). Er war die erste von mehreren Moche-Mumien, die das Team um den peruanischen Archäologen Walter Alva in Huaca Rajada, Sipán, Peru, gefunden hat. Das Königsgrab wurde 1987 entdeckt. Copyright Cicero Moraes, CC BY-SA 4.0
Ein Mann mit indigenen Zügen steht hinter seinen Holzschnitzereien
Ein traditioneller Holzschnitzer in Campiñas de Moche in seiner kleinen Werkstatt
Auf einem Tisch sind die Tonformen und das daraus gelöste Gesicht eines Moche-Kriegers aufgestellt
Bei den Tongefäßen variiert manchmal nur das Herstellungsdatum. Die Gussformen, die Techniken und Tonvorkommen sind die gleichen wie zur Zeit, als die Kultur der Moche in Nordperu noch blühte – zwischen 400 und 600 Jahren n.Chr.