'Black Tax'

Wenn ein Gehalt für eine Großfamilie reichen muss

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
7 Minuten
Das Bild zeigt den englischen Titel des Buchs: Black Tax, Burden or Ubuntu.

Was umgangssprachlich als ‚Black Tax‘ bezeichnet wird, kennt jeder schwarze Südafrikaner aus eigener Erfahrung: Wer einen Job hat, teilt sein Einkommen mit der Familie, oder besser, mit dem weiteren Verwandtenkreis. Das gehört zu Kultur und Tradition, ist aber auch eine Konsequenz von Apartheid, Armut und Arbeitslosigkeit. In Südafrika hat nun eine Debatte über dieses ehemals tabuisierte Thema begonnen.

Niq Mhlongo ist auf dem Sprung zur Beerdigung seiner Schwägerin. Da er als Schriftsteller zwar kein regelmäßiges, aber immerhin ein höheres Einkommen hat, als viele seiner Verwandten, hat er diese Beerdigung mitfinanziert. Das ist für ihn selbstverständlich. Er will seinem Bruder in dieser schwierigen Zeit nicht nur moralisch, sondern auch finanziell zur Seite stehen. „Ich schaue nun weiter, was er und seine Kinder brauchen. Denn sie sind traditionell auch meine Kinder.“

Das selbe würde gelten, wenn seine Schwester sich scheiden ließe und mit ihren fünf Kindern bei ihm anklopfen würde. Dann würde er, ohne groß darüber nachzudenken, die Rolle des Ernährers übernehmen. „Ich würde mich nicht wohl dabei fühlen, mir neue Klamotten zu kaufen, wenn meine Nichten und Neffen nichts anzuziehen haben.“ Ähnliches gilt für Großeltern, Eltern, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen ersten und zweiten Grades – kurz die gesamte Großfamilie.

„Wenn ich Geld verdiene, ist es nicht für mich allein“

„Wenn ich Geld verdiene“, erläutert der Autor, „dann ist das nicht nur für mich allein, sondern für zehn Leute, die ich unterstütze. Wenn ich meinen Job verliere, dann bedeutet das auch, dass diese zehn ebenfalls ihre finanzielle Lebensgrundlage verlieren.“ All das fasst der Begriff ‚Black Tax‘ zusammen, wörtlich übersetzt: schwarze Steuern. Obwohl diese Tradition für viele nichts mit Steuern, sondern eher mit einer tiefen Überzeugung und familiärer Verantwortung zu tun hat.

Porträtfoto des Schriftstellers Niq Mhlongo, mit graumelliertem Bart und Schirmmütze.
Schriftsteller Niq Mhlongo

Der Ursprung dieser Tradition, so Mhlongo, der gerade ein Buch zum Thema herausgegeben hat, liege zum einen in der Tatsache, dass Afrikaner kulturell in eine Gemeinschaft eingebettet sind, die weit über die westliche Kernfamilie hinausgeht. Der Begriff der Familie kann bis zu Cousinen fünften Grades oder bis zu jenen reichen, die den gleichen Nach- oder Clannamen tragen. Nach der afrikanischen Ubuntu-Philosophie sind alle untrennbar miteinander verbunden. Der Kernsatz ‚ubuntu ngumuntu ngabantu‘ bedeutet frei übersetzt: Ein Mensch existiert nur durch andere Menschen.

Ausdruck von Ubuntu

Es geht dabei um den Wert des Teilens, die Untrennbarkeit des Einzelnen von einem größeren Ganzen, in dem sich auch die Handlungen des Einzelnen auf alle auswirken. Desmond Tutu beschrieb einmal sinngemäß, dass jeder herabgewürdigt wird, wenn andere gedemütigt oder gequält werden, dass aber auch jeder Akt des Helfens auf alle ausstrahlt. ‚Black Tax‘ sei in diesem Kontext zu verstehen, als Teil schwarzer Kultur, sagt Mhlongo. Aber es gibt auch eine historisch-ökonomische Kehrseite: Viele schwarze Südafrikaner leben heute trotz eines guten Einkommens mehr oder weniger von der Hand in den Mund.

Das Bild zeigt das Buch 'Black Tax', von Niq Mhlongo
'Black Tax', von Niq Mhlongo