Immer der Nase nach: Schnuppertage in der Bibliothek

Die Riechexpertin und Wissenschaftsjournalistin Fabienne Hübener hat mithilfe von Experimenten, einem Riechspiel und Vorträgen den oft zu Unrecht vernachlässigte Sinn in den Mittelpunkt gerückt

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Ein Kind mit blonden Jahren hält seine Nase über ein geöffnetes braunes Schraubglas, auf dem Tisch davor stehen einige weitere Gläser und es liegt ein Würfel dort.

Wer kennt die Situation nicht: Man läuft die Straße entlang und plötzlich hängt einem ein prägnanter Geruch in der Nase. Doch wie heißt er bloß? Die Antwort liegt uns auf der Zunge, doch wir finden das Wort nicht. Oder ein Duft versetzt uns von einem Moment auf den anderen in eine Situation in der Vergangenheit, etwa in die Küche der Großmutter oder das Ferienhaus aus Kindertagen. Grund dafür ist die enge Verknüpfung von Gefühlen und Riechwahrnehmung im Gehirn. Im Alltag machen wir uns nur selten klar, wie Düfte unser Leben und unser Wohlbefinden beeinflussen. Wer die Macht der Düfte kennt, kann sie nutzen und sein Leben bereichern.

Die Wissenschaftsjournalistin Fabienne Hübener will Menschen dazu bringen, sich wieder mehr mit ihren Riechsinn zu beschäftigen. Ihr Projekt „Kritisches Riechtraining“ vermittelt Aktuelles aus der Riechforschung und lädt zum Mitforschen ein. Unterstützt wurde das Projekt im Rahmen der Masterclass Wissenschaftsjournalismus der RiffReporter, das von der Bosch-Stiftung gefördert wurde.

Zu diesem Zweck lud Fabienne Hübener im Juli 2021 interessierte Menschen zu „Schnuppertagen“ in die Stadtbibliothek in München-Neuhausen. Am Schnuppertisch konnten Besucherinnen und Besucher an rund 50 Düften riechen, erzählen, fragen und ihren Geruchssinn kennenlernen. Ungefähr 70 Menschen nahmen das Angebot wahr.

Kann ein verlorener Geruchssinn zurückkehren?

Allein durch das regelmäßige und bewusste Riechen lässt sich die Wahrnehmung für einen Duft stärken. Selbst Gerüche, die man zunächst gar nicht wahrnimmt, können so mit der Zeit zu duften anfangen. Ein klassisches Beispiel dafür ist der Duft Androstenon. Er kommt im menschlichen Schweiß vor und nur jeder zweite nimmt ihn wahr. Durch ein Riechtraining können manche Menschen diesen Duft erlernen. Hat der Geruchssinn – etwa aufgrund des Alters oder einer Infektion – nachgelassen, kann ein Riechtraining dabei helfen, die Riechfähigkeit wieder zu erlangen.

Für die Duftspiele am Stand vor der Bibliothek sollten die Besuchenden auch ungewöhnliche Düfte wie Teer, feuchte Erde und Heu den entsprechenden Bildern zuordnen oder aus einer Reihe von drei Düften denjenigen herausriechen, der anders ist. Mit Hilfe von Fragekarten wurden die Menschen eingeladen, mit der Journalistin über Düfte und Dufterinnerungen ins Gespräch zu kommen, etwa mit der Frage: „Welche drei Düfte würden Sie wählen, um Aliens die Erde näher zu bringen?“

Ein Mann und eine Frau stehen an einem Tisch unter einem Markise im Freien. Er hält ihr ein Röhrchen hin, sie riecht an einem Stäbchen. Die Journalistin Fabienne Hübener steht dahinter.
Das Geruchstraining offenbart: Manche Düfte kann nur jeder Zweite wahrnehmen

Besonders Interessierte bekamen die Gelegenheit, an einem Riechexperiment teilzunehmen. Dabei wurde die Frage untersucht, wie Düfte mit Farben verknüpft werden. Diese Technik kann auch dafür eingesetzt werden, dass Menschen ihren Geruchssinn zurückerlangen, die nach einer Covid-19-Infektion nichts mehr riechen. Ziel des Experimentes war es, für jeden Duft des klassischen Riechtrainings eine passende Farbe zu finden. Durch die Kombination aus Farbe und Duft soll der Effekt des Riechtrainings in Zukunft noch weiter gesteigert werden.

Vorträge über den Geruchssinn in allen Lebenslagen

Täglich hielten Expertinnen und Experten Vorträge zu Themen rund um die Riechforschung. Dabei ging es um die Grundlagen des Riechens, die Duftwahrnehmung in sozialen Beziehungen, das Riechtraining und die Wahrnehmung und Herstellung von Parfums.

Grundsätzlich waren die Besucherinnen und Besucher begeistert von der Gelegenheit, am Tisch bewusst an ungewöhnlichen und interessanten Düften schnuppern zu können. „Das macht man ja sonst nie“, sagte eine Besucherin. Manche kamen auch an mehreren Tagen, um etwa an weiteren Duftspielen teilzunehmen, erneut einen Vortrag anzuhören oder ihre Kinder aufzufordern, mal bewusst hinzuschnuppern. Auch Fünfjährige hatten großen Spaß daran, für sie unbekannte Gerüche zu erschnuppern.

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