Auch Kriege trugen zum kulturellen Verständnis bei

Interview mit der Kuratorin Schoole Mostafawy

7 Minuten
Ein zwei-mastiges, mit Ornamenten geschmücktes Zelt, deren eine Längsseite geöffnet ist.

Mehr Diversität im Museum ist eine aktuelle Forderung, die so schnell nicht verklingen wird. Aber macht es denn wirklich einen Unterschied, auf welchem Kontinent, in welcher Kultur der Kurator oder die Kuratorin geboren oder aufgewachsen ist? Allerdings. Das legt jedenfalls die Ausstellung „Kaiser und Sultan – Nachbarn in Europas Mitte 1600–1700“ nahe, konzipiert und realisiert von Schoole Mostafawy für das Badische Landesmuseum (BLM). Die Kunsthistorikerin gehört schon seit langem zum wissenschaftlichen Team des kulturhistorischen Museums. Bereits 2013 initiierte sie die Dauerpräsentation „Weltkultur/Global Culture“, die Beispiele transkultureller Verflechtungen zeigte. Für sie ist klar, dass es speziell zwischen Islam und Christentum, zwischen Orient und Okzident, mehr kulturelle Gemeinsamkeiten gibt als gedacht.

Mit der Großen Landesausstellung „Sultan und Kaiser“ eröffnete sich für die Kuratorin die Chance, ihre Sicht der Dinge für eine große Bühne durchzuarbeiten. Darüber hinaus gab es Kooperationen mit den Universitäten in Zagreb und Graz sowie den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Um das Phänomen der Transkulturalität zu demonstrieren, legte Schoole Mostafawy den Fokus auf jene Gebiete, die im 17. Jahrhundert als Pufferzone zwischen Habsburgischer Monarchie und Osmanischem Reich wechselnden Schicksalen unterworfen waren. So gab es parallel ein königliches und ein osmanisches Ungarn, Serbien und Kroatien waren zeitweise osmanisch, Teile des heutigen Rumänien, wie das Fürstentum Siebenbürgen, existierte als Vasallenstaat des Osmanischen Reiches, wo Juden, Christen und Muslime meist friedlich zusammenlebten. In der Ausstellung „Kaiser und Sultan“ sind viele Fährten ausgelegt: die chronologisch-politische Abfolge der sogenannten Türkenkriege, jene der Zeugnisse des kulturellen Austauschs von Objekten und Lebensgewohnheiten, aber auch die der Migrationsrouten damals und heute.

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Debattemuseum Im Katalog ist zu lesen, dass das BLM mit dem Projekt „Sultan und Kaiser“ erstmalig in einer Ausstellung einen transkulturellen Ansatz verfolgt hat. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Schoole Mostafawy Inzwischen ist man in der Wissenschaft so weit, die Verflechtungsgeschichte der Welt, die sogenannte „Entangled History“, immer mehr in den Vordergrund zu stellen. Transkulturelle Phänomene zu erforschen, gehört zu unserer zunehmend durch Globalisierung geprägten Welt, die sich vom eurozentristischen Blick bewusst distanzieren möchte. Wir sind nicht das erste Haus, das eine solche Ausstellung präsentiert, aber das erste, das sich bemüht, die sogenannten Türkenkriege genauer zu betrachten und zu belegen, was in dieser Zeit neben den Dichotomien, Kaiser und Sultan, noch alles möglich war. Nicht nur Krieg, sondern der Krieg als ein Türöffner für durchaus positive kulturelle Wechselbeziehungen sollte Gegenstand genauerer Betrachtung sein. Bei der letzten großen Ausstellung im Badischen Landesmuseum zu diesem Thema 1955 hat man noch den Türkenlouis gefeiert, den Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, der während des Großen Türkenkrieges erfolgreich gegen die Osmanen kämpfte. Heute beschreiten wir einen komplett neuen Weg. Ziel ist es, auch Mitbürgerinnen und Mitbürger unterschiedlicher Kulturen mit dieser Ausstellung zu erreichen

Porträt-Foto einer etwa 50-jährigen, dunkelhaarigen Frau, die auf einer Treppe steht.
Die Kuratorin Schoole Mostafawy kam im Alter von 16 Jahren von Teheran nach Deutschland, ihr Vater ist Iraner, ihre Mutter Deutsche. Nach der „islamischen Revolution“ floh die Familie ins zweite Heimatland, nach Deutschland. Weil sie die klassische Kunstgeschichte als Begrenzung empfand, studierte sie auch Klassische - und Vorderasiatische Archäologie.
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